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Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Titel: Im Land des Falkengottes. Tutanchamun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schramek
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mich genommen», antwortete ich und fuhr sogleich fort, so laut, so deutlich, dass es alle Anwesenden genau hören konnten.
    «Einem alten Vater, dem du so viel Ehre aufbürdest, vermagst du gewiss einen kleinen Wunsch, eine unscheinbare Bitte, nicht abzuschlagen: Gestatte es meinem kleinen Schützling Tutanchaton, Zweiter Sehender des Aton zu werden!»
    Ich verneigte mich erneut, und als ich mich wieder aufrichtete, sah ich, wie einige der Anwesenden aufgeregt miteinander tuschelten, und ich bemerkte, wie sich das eben noch sofreundliche Gesicht meiner Tochter verfinsterte. Alle warteten angespannt auf ihre Antwort, und sogar Teje hob mühsam den Kopf empor, damit auch sie das Gesicht Nofretetes sehen konnte, wenn diese mir antwortete. Als meine Tochter all die neugierigen Gesichter sah, fasste sie sich schnell wieder und sagte, während ihr rechter Arm auf den Schreiber neben ihr wies: «So sei es, und so werde es geschrieben: Tutanchaton ist Zweiter Sehender des Aton. Gottesvater Eje selbst wird alles Nötige in die Wege leiten, um Prinz Tutanchaton für dieses Amt ausbilden zu lassen.»
    Erst verneigte ich mich erneut, um vor allen anderen meine Dankbarkeit zu zeigen, dann ging ich entgegen allen Regeln auf meine Tochter zu, umfasste ihre Schultern und küsste sie auf beide Wangen.
    «Ich danke dir von Herzen», flüsterte ich ihr zu.
    «Das hast du dir fein ausgedacht, Vater», antwortete sie ebenso leise wie gekränkt und fuhr gleich fort: «Aber das ist jetzt so, wie es ist.»
     
    Im Grunde genommen war das, was ich für Tutanchaton erreicht hatte, so unbedeutend, dass es unter gewöhnlichen Umständen gar keiner Erwähnung bedurft hätte. Die Prinzen und Prinzessinnen Ägyptens trugen oft die ungewöhnlichsten Titel, um ihren ohnehin hohen Rang noch mehr hervorzuheben. Ich konnte und wollte es nicht zulassen, dass der Knabe als ein Niemand endete, als ein Nichts, nur weil meine Tochter ihn wegen seiner Mutter hasste und missachtete und sie nicht bereit war, ihrem Gemahl den vermeintlichen Treuebruch zu verzeihen.
    «Du wirst in wenigen Tagen ein berühmter Junge sein», sagte ich zu Tutanchaton, nachdem ich am späten Vormittag aus dem Stadtpalast nach Hause zurückgekehrt war. Er saß mit meinem Diener Ipu unter einem Sonnensegel auf der Terrasse, und beide schnitzten Wurfhölzer für die Entenjagd.
    Der Junge sah mich mit großen Augen an, denn mit dieser ungewöhnlichen Begrüßung wusste er wenig anzufangen.
    «Die Königin hat soeben bestimmt, dass du Zweiter Sehender im Tempel des Aton wirst.»
    Tutanchaton beeindruckte das gar nicht. Angespannt und mit zusammengepressten Lippen starrte er auf das noch unförmige Wurfholz in seiner Linken, während er mit einem Messer, das er in seiner Rechten hielt, sorgfältig seinen Namen einritzte.
    «Mein Vater», sagte er während einer kurzen Pause, «mein Vater hat mir versprochen, dass ich einmal Pharao werde. Warum werde ich jetzt nur Priester?»
    Erst jetzt ließ er von seinem Schnitzwerk ab und sah mich mit traurigen und ratlosen Augen an. Nie hätte ich geglaubt, dass ein fünfjähriger Junge so viel Gespür haben konnte, um genau zu merken, wann er um einen Anspruch betrogen wurde. Er schien genau zu wissen, als was er geboren worden und wozu er ausersehen war.
    «Ich habe nicht gesagt, dass du nicht Pharao wirst. Aber erst einmal wirst du Zweiter Sehender des Aton. Und das ist eine große Aufgabe», versuchte ich ihn zu beschwichtigen.
    «Das sagst du doch jetzt nur, damit ich nicht traurig bin. Nofretete ist eine böse Frau, und sie will doch gar nicht, dass ich einmal Pharao werde. Darüber hast du doch mit Aper-el gesprochen. Ich habe es gehört.»
    Ich war fürs Erste so sprachlos, dass ich mich einfach neben seinen kleinen Stuhl kniete, den Jungen umarmte und seinen Kopf an meine Brust drückte. Wie konnte er gehört haben, worüber Aper-el und ich gesprochen hatten? Waren wir unvorsichtig gewesen und hatten nicht leise genug gesprochen, oder verfügte Tutanchaton womöglich über die Vorzüge eines so guten Gehörs, wie ich es selbst tat?
    «Hör mir zu!», flüsterte ich in sein linkes Ohr. «Ich will immer ehrlich zu dir sein, so wie auch du immer ehrlich zu mir sein sollst.» Zustimmend nickte er mit dem Kopf.
    «Du hast Recht: Sie will nicht, dass du Nachfolger deines Vaters wirst. Sie will sogar, dass du niemals Pharao wirst. Aber ich habe schon so viele wundersame Dinge auf dieser Welt erlebt,dass ich nichts für ausgeschlossen halte. Wenn es

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