Im Land des Falkengottes. Tutanchamun
Rede fort.
«Es ist aber nur noch Tuschratta von Mitanni, der deiner Hilfe bedarf, und vielleicht noch drei oder vier Fürsten Syriens, deren Namen du kaum kennen wirst. Denn Zimrida von Sidon ist von den Schergen Suppiluliumas bereits ermordet worden. Ihm können wir jetzt nicht mehr helfen, selbst wenn wir es jetzt endlich wollten.»
«Ich verbitte mir den Ton deiner Worte!», rief mir Nofretete entgegen, und ich musste einsehen, dass ich wohl etwas zu weit gegangen war. Sie sah mich lange mit hochrotem Kopf an, dann fragte sie mich: «Wo ist der Bastard?»
Ich senkte den Kopf und schwieg, denn ich wollte auf eine derart gestellte Frage keine Antwort geben. Auch der Königin nicht. Sie wurde ungeduldig.
«Wo ist er, frage ich dich noch einmal?»
«Er hat mich begleitet. Was hast du anderes von mir erwartet? Dachtest du, ich würde ihn allein in Achet-Aton zurücklassen?»
Nofretete schlug mit beiden Händen auf die Lehnen ihres Thrones, sprang auf und schrie mich an: «Habe ich nicht befohlen, dass der Knabe Achet-Aton nicht zu verlassen hat? Habe ich dir nicht das Versprechen gegeben, dass diesem Bastard so lange kein Leid zugefügt wird, wie er meinem Befehl Folge leistet? Glaubst du, ich habe das nur gesagt, um diesen Knaben zu ärgern und um dich zu demütigen?»
«Ich bin nicht gekommen», wurde auch ich jetzt lauter, «um mich mit dir wegen des Knaben zu streiten. Sein Dasein ist eine Tatsache, die nicht zu leugnen ist, und auch du solltest dich endlich damit abfinden, dass dein Mann einen Sohn zurückgelassen hat.»
Nofretete hatte sich wieder gesetzt, und es genügte ein kurzer Wink mit ihrem Kopf, damit ein Offizier der Leibgarde neben sie trat. Wenige Augenblicke später verschwand er aus dem Saal.
«Weswegen bist du dann hierher gekommen? Nur um jene Hilfe für Tuschratta zu erbetteln, von der du genau weißt, dass du sie von mir nicht erhältst? Aber rede!»
Ich schilderte ihr und allen Anwesenden genau und in manchen Einzelheiten die Lage, wie sie sich für Syrien, Mitanni und für Babylon darstellte. Ich berichtete ihnen, dass die Hethiter zwischenzeitlich die gesamte syrische Küste bis in die Höhe der Stadt Qadesch besetzt hielten und dass es keinerlei Anzeichendafür gab, dass ihr Hunger nach noch mehr unterworfenem Land bald gesättigt sein könnte.
«Burra-Buriyash von Babylon traut sich kaum mehr zu atmen, um nur ja nicht die Aufmerksamkeit Suppiluliumas auf sich zu lenken. Stattdessen sieht er lieber zu, wie sein Nachbar Tuschratta zugrunde geht.»
«Sind wir Tuschratta, dem Großvater deines Schützlings, irgendetwas schuldig?», fragte mich Nofretete höhnisch, woraufhin sogar einige ihrer Berater zu tuscheln begannen, weil sie den Einwand Nofretetes offenbar ebenso wenig verstanden wie ich.
«Wer ist wem etwas schuldig, Nofretete?», gab ich eine Gegenfrage zurück. «Die Frage magst du dir dann beantworten, wenn auch du festgestellt haben wirst, dass Ägypten am Rand des Abgrunds steht.»
«Schweig!», rief sie aufgeregt in den Saal hinein und schlug dabei wieder mit den Händen auf die Armlehnen ihres Throns.
«Ich bin mit dem, was ich dir zu sagen habe, noch nicht zu Ende, Nofretete.» Sie lehnte sich zurück und gab mir so zu verstehen, dass sie bereit war, mir noch einmal zuzuhören.
«Seit dem Tod meiner Schwester ist es unruhig geworden im Land. Du weißt, dass überall in Ägypten noch die Priester jener Gottheiten leben, die du und dein Gemahl verbannt und verboten haben. Lauter denn je erklingen ihre Hetzreden gegen dich und gegen Aton. Aufmerksamer denn je hören ihnen die Menschen überall im Land zu, und bereitwilliger denn je folgen sie ihnen, wohin immer sie es befehlen. Ich weiß nicht, wie lange es Haremhab noch gelingt, in Unterägypten Ruhe zu bewahren.»
Nofretete beugte sich wieder ein wenig nach vorn und fragte: «Oder könnte es sein, dass es Haremhab selbst ist, der nicht mehr lange gewillt ist, Ruhe zu halten?»
«Für die Ergebenheit und Treue Haremhabs verbürge ich mich. Er ist der Krone Ägyptens treu ergeben, wer immer sie auch tragen mag. Aber er ist besorgt und weiß nicht, wie lange er die Krone schützen kann.»
«Und was meinst du, sollte ich jetzt tun, Vater?»
«Das fragst du mich, Nofretete? Das fragst du wirklich mich, der es gewagt hat, aus seinem Gefängnis zu entfliehen, und der es wagt, dir hier die Stirn zu bieten?»
«Ja, dich und keinen anderen. Und ich erwarte jetzt und hier eine Antwort.»
Ich musste allen Mut
Weitere Kostenlose Bücher