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Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Titel: Im Land des Falkengottes. Tutanchamun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schramek
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zusammennehmen, um ihr eine ehrliche Antwort zu geben. Es fiel mir so unendlich schwer, schwerer, als es mir noch vor wenigen Tagen gefallen wäre, wo ich noch ohne die Zweifel lebte, ob Tutanchaton nicht doch mein Sohn war. Ich konnte meine Tochter so in Wut bringen, dass sie bis zum Äußersten ging. Was sollte denn aus Tutanchaton werden? War es jetzt nicht an der Zeit, alle Weisheit und Erfahrung, die man mir hier zutraute, um Ratschläge zu erteilen, zu leugnen und einfach zu gehen? Ich wusste von Anfang an um die Gefährlichkeit meines Tuns, sonst hätte ich nicht all die Vorkehrungen getroffen, bis hin zu dem Austausch der Kinder.
    So verneigte ich mich vor ihr und ihrer Tochter Meritaton in aller Demut und trug vor, was zu tun nach meiner Einschätzung das Richtige war. Ich riet ihr, unverzüglich Haremhab mit der Aushebung weiterer Truppen und dem Marsch auf Qadesch zu beauftragen. Ich riet ihr, auch im Süden Truppen auszuheben, damit nicht das elende Kusch einen Aufstand wagte, wenn der Großteil der ägyptischen Armee in Syrien kämpfte. Dann schwieg ich.
    «Und was rätst du mir, um die Unruhen, von welchen du mir berichtet hast, zu unterbinden?»
    «Du kennst meine Meinung hierzu», beschied ich sie knapp.
    «Ich glaube nicht, Vater, denn heute erfahre ich zum ersten Mal von diesen Unruhen. Ich höre!»
    «Ich habe dir vor drei Jahren schon gesagt, wen ich für den rechtmäßigen Thronerben halte, und an dieser Auffassung hat sich bis heute nichts geändert. Mehr habe ich dazu nicht zu sagen.»
    «Nun gut», entgegnete sie mir und holte tief Luft.
    «Jetzt will ich dir sagen, was ich tun werde: Ägypten ist und bleibt ein Land des Friedens. Nicht ein Tropfen ägyptischen Blutes wird fließen, um zweifelhaften Bündnispartnern zu helfen. Wenn Tuschratta König von Mitanni sein will, dann soll er selbst sehen, wie er sein Königreich schützt. Wenn er dazu nicht in der Lage ist, dann ist sein Land es nicht wert, weiter zu bestehen. Ich werde keine Truppen ausheben, und ich werde nicht einen einzigen Soldaten nach Syrien schicken! So sei es und so werde es geschrieben! Und was den Bastard betrifft, sage ich dir, dass auch ich meine Meinung nicht geändert habe, Gottesvater!», schrie sie mich jetzt an, und mir war, als hätte sie Gift ausgespuckt, als sie das Wort «Gottesvater» aussprach.
    «Es sind schon lange Tatsachen geschaffen, die meine Herrschaft und die einstige Herrschaft meiner Töchter unumkehrbar machen. Aton ist der einzige Gott Ägyptens, und wir werden nie mehr andere Gottheiten dulden. Finde dich damit ab, Vater, auch wenn du Trauer empfinden wirst. Ich trage keine Schuld daran, denn alles, was geschieht, hast du allein zu verantworten.»
    Es regte sich kein Widerspruch im Saal. Nicht von Acha und nicht von irgendeinem anderen der Großen, die einmal mit mir befreundet waren. Die Nähe zur Doppelkrone der Beiden Länder hatte sie gefügig gemacht und ließ sie schweigen.
    «Kehre zurück in deinen Palast nach Achet-Aton, und sei dankbar, dass mein Zorn nicht auch dich trifft.»
    Dann erhob sie sich und verließ mit Meritaton den Saal, ohne sich vorher von mir verabschiedet zu haben. Ich war noch nicht fähig, die Worte, die sie gesagt hatte, zu fassen, und blieb eine Weile regungslos stehen. Auch von den Übrigen im Saal regte sich niemand. Ich sah vor mich auf den Boden und erkannte dort die gefesselten Feinde Ägyptens. Von alters her wurden sie auf die Fußböden der ägyptischen Paläste gemalt, damit jedermann sah, welches Land das mächtigste unter derSonne war. Jetzt fühlte ich mich wie der gefesselte Asiat zu meinen Füßen.
    Als ich den Saal verließ, sah mir niemand in die Augen. Einige unterhielten sich und taten so, als würden sie mein Gehen gar nicht bemerken. Andere sahen vor mir zu Boden, entweder weil sie sich vor mir schämten oder weil sie sich meiner schämten.
    Noch nie in meinem bisherigen Leben hatte ich derart gedemütigt und verachtet den Palast verlassen.
     
    Erst auf der Rückfahrt zum Hafen dachte ich nochmals über die Worte Nofretetes nach. «Finde dich damit ab, auch wenn du Trauer empfinden wirst», hatte sie gesagt, und dass ich allein die Schuld an allem trüge. Unruhe kam in mir auf, und ich drängte Ipu zur Eile. Je näher wir unserem Ziel kamen, umso mehr wuchs meine Sorge um Sessu.
    Der Kommandant meines Schiffes lehnte gelangweilt an der Reling, als wir eintrafen. Schon während wir den schmalen Steg zur Barke emporstiegen, rief ich ihm entgegen:

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