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Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Titel: Im Land des Falkengottes. Tutanchamun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schramek
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umso zahlreicher wurde die Beute und umso weiter musste geschossen werden, damit ein Strauß erlegt wurde. Diese Art übertriebener Berichterstattung war mir noch aus den Tagen meines Freundes Ameni in Erinnerung geblieben,und ich fragte mich, ob auch Tutanchaton eines Tages Hunderte Gedenkkäfer verteilen lassen würde, auf welchen er sich als größter Straußenjäger der Beiden Länder preisen ließ.
     
    «Ich muss dringend mit dir sprechen», sagte Paheri zu mir, während Nassib die Federn, die er auf dem Tisch vor uns ausgelegt hatte, wieder sorgfältig einsammelte.
    Wir gingen etwas zur Seite, und dann fuhr Paheri fort: «Kaufleute haben mir soeben berichtet, dass von Men-nefer aus eine Kompanie schwer bewaffneter Soldaten auf die Oase zumarschiert. Es sollen etwa hundert Mann sein. Ich habe nicht die geringste Ahnung, was das zu bedeuten hat und in wessen Auftrag sie unterwegs sind.»
    «Da gibt es ja wohl keine ernsten Zweifel, Paheri. Es war eine Frage der Zeit, bis sie unser Versteck finden würden. Jetzt ist es eben so weit», antwortete ich ihm. «Jetzt heißt es wohl, Abschied nehmen. Denn so leicht will ich es ihr nicht machen. In einer Stunde brechen wir auf.»
    «Wohin willst du gehen, Eje?», fragte er mich ehrlich besorgt.
    «Soll ich es dir wirklich sagen, Paheri? Ich habe schon meinen Vetter wissentlich in die Irre geführt, damit sein Verrat ohne Folgen bleiben würde. Du musst ihnen schnell eine Antwort geben, denn sonst wird man dich foltern. Sie werden dir nämlich kaum glauben, dass du unseren Aufenthaltsort nicht kennst, wenn sie erfahren, wie lange du uns schon versteckt gehalten hast.»
    «Sag es mir dennoch, Eje! Es werden bessere Tage kommen, und dann ist es gut, wenn wenigstens ich weiß, wo ich dich finden kann.» Ich sah ihn eine ganze Weile sehr nachdenklich an, und auch seine Blicke waren starr auf meine Augen gerichtet.
    «Ich werde die Oase nach Westen verlassen und in einem weiten Bogen durch die libysche Wüste nach Nordosten bis zum Flussdelta ziehen. In seinen Schilfwäldern wird sich unsere Spur verlieren, Paheri. Dann werde ich so lange ostwärts ziehen, bisich mein Ziel erreicht habe: Babylon.» Paheri zog ruckartig die Augenbrauen nach oben, als er den Namen Babylon hörte, aber es kam kein Wort des Protests über seine Lippen.
    Ich wusste, was er dachte, deswegen fügte ich hinzu: «Du siehst doch selbst, dass es in Ägypten keinen sicheren Platz für den Knaben gibt. Sie ist es, die mich zum Äußersten treibt!»
    Er nickte stumm.
    Nach gut einer Stunde standen unsere beiden Eselskarren wieder bereit. Zusätzlich zu unserem Gepäck hatten wir diesmal noch zehn große Tonkrüge mit Wasser und reichlich getrocknetes Fleisch und getrockneten Fisch sowie Mehl und Öl geladen, um auf unserer Flucht auf so wenig Siedlungen wie möglich angewiesen zu sein. Ipu hatte noch ein Bündel Brennholz auf seinen Karren geworfen, denn die Nächte in der Wüste waren schon sehr kalt.
    Der Abschied war kurz, denn die Angst vor unseren Verfolgern saß tief und hatte mich ein wenig schwermütig, ja hoffnungslos werden lassen. Wenn uns die Flucht nach Babylon gelingen sollte, würden wir zwar unser Leben gerettet haben, aber dann war uns auch die ewige Verbannung gewiss. Das würde der Preis sein, den wir für unser Weiterleben zu bezahlen hatten.
    Auf einem der uralten Handelswege, die von Men-nefer über Merwer und die Oase Siwa nach Libyen führten, zogen wir fünf Tage lang nach Westen. Nur einmal begegnete uns eine Eselskarawane, und ich war froh, als wir endlich wieder getrennte Wege gingen. Ich betete nicht nur zu Aton, dass mich ihr Anführer tatsächlich für einen einfachen Gewürzhändler hielt.
    Dann zogen wir weiter in Richtung Norden.
     
    Es war finstere Nacht, und da der Mond sein Antlitz vollständig verhüllt hatte, leuchteten die Sterne umso heller, sie funkelten wie Edelsteine. Jedes Mal, wenn eine Sternschnuppe herniedersank, um, kaum dass man sie wahrgenommen hatte, hinter dem schwarzen Horizont zu verschwinden, schickte ich, einem altenAberglauben folgend, einen stillen Wunsch in den Nachthimmel.
    «Gesund nach Babylon!», jagte der Wunsch durch meinen Kopf, sobald eine Sternschnuppe durch den Nachthimmel eilte.
    «Woran denkst du?», fragte mich Nassib leise. Er lag in eine dicke Wolldecke eingehüllt neben mir. Sein Kopf ruhte auf meinem Oberschenkel, und mit meiner rechten Hand strich ich über sein Haar. Seine Blicke waren auf das spärliche Lagerfeuer gerichtet.

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