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Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Im Land des Falkengottes. Tutanchamun

Titel: Im Land des Falkengottes. Tutanchamun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schramek
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Wäschekorb. Aus ihm heraus musste sie mit ansehen, wie ihre vier Schwestern und die drei Kindermädchen erwürgt wurden. Der grausame Anblick ließ sie starr werden vor Entsetzen, was ihr das Leben rettete. Wie eine Scheintote blieb sie deswegen so lange in dem Korb zurück, bis man sie am anderen Morgen nach langer Suche endlich gefunden hatte. Sie ahnte, was auch mit ihrer Mutter geschehen war, und weigerte sich, sie zu sehen. Sie hat sehr unter dem Erlebten gelitten, Gottesvater Eje. Sie   …» Jetzt stockte Haremhab ein wenig in seiner Erzählung, sodass ich fragend nach ihm aufschaute. Dann fuhr er fort: «Sie ist seither verschlossen, völlig in sich gekehrt. Es ist, als hätte sie darüber den Verstand verloren.»
    Ich merkte es ihm an, wie unangenehm es ihm war, mit mir offen darüber zu sprechen. Dann redete er weiter: «Es gibt Augenblicke,da ist sie ansprechbar wie jeder andere Mensch auch. Ihr habt es im Hafen selbst erlebt, als sie ihren Bruder und Euch begrüßte. Doch nur wenig später scheint sie wieder in einer völlig anderen Welt zu leben und verhält sich, als wenn es um sie herum kein Leben gebe.»
    Es verging eine lange Weile des Schweigens, denn ich konnte die Worte Haremhabs, konnte die Grausamkeit, von der ich soeben erfahren hatte, nicht fassen. Unschuldige, hilflose Mädchen erwürgen! Wer brachte dies fertig?
     
    «Konnte Anchesen-paaton jemanden erkennen?»
    «Sie sagte nur, es wären sechs oder sieben Soldaten der Leibwache gewesen, wobei sich einer als besonders eifrig beim Morden hervorgetan haben muss. Mehr konnte sie nicht sagen.»
    «Wisst Ihr, wer damit begonnen hat, Nachforschungen anzustellen?», fragte ich ihn.
    «Rechmire», antwortete er mir knapp. «Euer Schwiegersohn Rechmire. Er war erst zwei Tage vor dem schrecklichen Ereignis von den Steinbrüchen im Süden zurückgekehrt und war einer der Ersten, der nach der Entdeckung der Toten in den Palast geeilt war.»
    «Er hält sich noch in Waset auf?», fragte ich und war mir zugleich sicher, dass meine Annahme, die ich eher zufällig in eine Frage gekleidet hatte, bestätigt wurde. Haremhab nickte.
    Ich war beruhigt, dass es mein eigener Schwiegersohn war, der sich um die Aufdeckung dieser Verbrechen bemühte, denn nur so konnte ich sicher sein, dass mir nichts verborgen blieb und gegen jeden Verdächtigen schonungslos vorgegangen wurde.
    «Habt Ihr schon einmal darüber nachgedacht, wer den Auftrag für die Morde erteilt haben könnte?»
    Haremhabs Augenlider begannen aufgeregt und schnell auf und nieder zu flattern, und es war offenkundig, dass ihm die Frage unangenehm war.
    «Priester?», bohrte ich nach.
    Er sah mich schweigend an.
    «Priester des Amun?», wurde ich deutlicher, sprach aber leiser als zuvor, damit außer Haremhab niemand meine Frage, die schon mehr ein Verdacht war, hören konnte.
    «Das glaube ich nicht, Gottesvater. Das halte ich sogar für ausgeschlossen. Denn wenige Tage nach Eurer   …» – und jetzt stockte er von neuem.
    «…   nach meiner Flucht», fuhr ich deswegen ungeduldig fort und versuchte, dabei nicht vorwurfsvoll oder herausfordernd zu klingen.
    «…   nach Eurer Abreise aus Waset erließ die Königin einen Befehl, wonach die Priester des Amun nach Waset zurückkehren durften.»
    «Ihr scherzt, Haremhab», sagte ich laut und lehnte mich lachend zurück. Was er gerade gesagt hatte, konnte unmöglich der Wahrheit entsprechen. Ich beugte mich wieder nach vorn und forderte ihn auf: «Wiederholt das noch einmal!»
    «Eure Tochter, die Königin Semenchkare Anchet-chepru-Re», antwortete er in abgehackten Silben, «hat sieben oder acht Tage nach Eurer Abreise den Befehl erteilt, dass der Tempel des Amun wieder geöffnet werde und dass seine Priester wieder zurückkehren sollten. Glaubt es mir! Es ist die Wahrheit.»
    «Und jetzt?», hakte ich nach. «Was ist seither geschehen?»
    «Ihr könnt Euch kaum vorstellen, wie schnell die ersten von ihnen nach Waset zurückgekehrt sind. Man spottete in Waset schon, es wären Aton-Priester gewesen, die nur schnell ihre Kultgewänder ausgetauscht hätten und von einem Tempel zum anderen gegangen wären. Der Tempel des Verborgenen sieht zwar noch reichlich verwahrlost aus, aber eine ungeahnte Welle der Hilfsbereitschaft schlägt den Priestern aus allen Schichten der Bevölkerung entgegen. Von früh bis spät wird Sand aus den Hallen und Höfen hinausgeschafft, werden Wände gestrichen und die Schriftzeichen Amuns wieder in die Steine gemeißelt. Aus

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