Im Land des Regengottes
umschwirrten, schien er nicht zu bemerken. Er hatte mir gezeigt, wie man die Triebe einer bestimmten Kakteenart im Vorbeigehen abbrach und die Flüssigkeit aus dem Inneren saugte. Aber die wenigen Tropfen Wasser, die ich auf diese Weise zu mir nahm, versickerten, ohne meinen Durst zu stillen. Ich hatte das Gefühl, langsam auszutrocknen. Die äußeren Schichten waren bereits hart und verdorrt, nur tief in meinem Innersten floss noch ein wenig heißes Blut, das allerdings ebenfalls bald verdunsten und zu einer harten Kruste erstarren würde.
»Gleich können wir trinken«, sagte Petrus, immer noch ohne sich umzudrehen.
»Wo?«, fragte ich. »Ist hier eine Quelle in der Nähe? Du warst doch noch nie hier, oder?«
Auf keine meiner Fragen bekam ich eine Antwort. Er ging einfach weiter, bis zu einem Kameldornbaum. Am Stamm lehnte ein großes Straußenei, das mit Wasser gefüllt war. Wie ein Becher, den jemand für uns eingeschenkt hatte.
Petrus reichte mir das Ei zuerst. Gierig schlürfte ich einen Teil des Wassers durch die kleine Öffnung an der Spitze, dann gab ich Petrus den Rest.
»Woher kommt das?«, fragte ich.
»Jemand hat es hier hingestellt.«
»Wer?« Und vor allem: Warum?
Petrus zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nicht, wer. Vielleicht die Männer von gestern Nacht.«
»Die Rebellen? Warum sollten sie Wasser für uns bereitstellen?«
»Jeder macht das. Wenn man viel Wasser hat, lässt man etwas für durstige Wanderer zurück. Bisher haben wir es nie gebraucht. Aber nun haben wir Durst, also trinken wir. Später kommen andere Nama und füllen die Schale wieder auf.«
»Aber woher wusstest du, dass sie sie ausgerechnet hier zurückgelassen haben?«
Petrus zuckte mit den Schultern. Er wusste es eben, genauso wie er wusste, dass der Blütensaft einer bestimmten Pflanze Schmerzen linderte, wenn man ihn auf eine offene Wunde strich. »Gleich wird es besser«, versprach er mir, nachdem er jede meine Verletzungen mit einem zähflüssigen gelben Tropfen versehen hatte und nun seine eigenen Wunden versorgte.
»Das hat meine Mutter früher auch immer gesagt.«
»Du denkst oft an deine Mutter«, stellte Petrus nachdenklich fest.
»Wenn ich nicht gewesen wäre, wären wir nie nach Afrika gegangen. Und dann wäre sie auch nicht gestorben.«
»Vielleicht doch. Wer kann das schon wissen?«
»Ich hab ihr damals eine Lügengeschichte erzählt«, sagte ich. »Weil ich um keinen Preis der Welt eine Dienstmagd werden wollte. Nachdem ich sie angelogen habe, hat sie sich entschlossen, Elberfeld zu verlassen.«
Jetzt war es heraus. Was ich zuvor noch keinem Menschen gebeichtet hatte, nun wusste es Petrus.
»Und nun glaubst du, dass du an ihrem Tod schuld bist.«
»Ich glaube es nicht nur, ich weiß es.«
Er lächelte. »Dann geht es dir wie mir. Ich bin auch schuld daran, dass mein Vater tot ist.«
»Du? Was hast du denn gemacht?«
»Nichts. Ich habe nichts gemacht. Das ist das Schlimme. Soll ich es dir erzählen oder willst du es lieber nicht wissen?«
Natürlich wollte ich es wissen. Wir saßen unter dem Kameldornbaum, unsere Rücken gegen den mächtigen Stamm gelehnt. Ich blickte in die eine Richtung und Petrus in die andere, während er mir erzählte, wie sein Vater durch seine Schuld ums Leben gekommen war.
Es war in der Zeit geschehen, als Petrus noch getrunken hatte. Um ihn wieder zur Vernunft zu bringen, hatte sein Vater ihn mit zur Jagd genommen. »Ich wollte nicht mit, aber ich war zu schwach, mich zu wehren«, sagte Petrus. »Also habe ich nachgegeben.«
Obwohl sein Vater vor dem Aufbruch seine Taschen durchsucht hatte, hatte Petrus es geschafft, eine Schnapsflasche aus dem Lager zu schmuggeln. Als die anderen Männer schliefen, wollte er den Schnaps herausholen, musste aber feststellen, dass ihn sein Vater ununterbrochen beobachtete. Die ganze Nacht lang machten beide kein Auge zu. Petrus blieb wach, weil ihn seine Sucht quälte, sein Vater blieb wach, um Petrus zu kontrollieren. Am frühen Morgen verlor sein Vater den Wettstreit und schlief ein. »Ich habe die Flasche in einem Zug geleert«, erklärte Petrus.
So machten sie sich auf die Jagd. Beide waren vollkommen übernächtigt, Petrus war darüber hinaus betrunken.
Die Männer spürten einen wilden Eber auf. Einer der Giftpfeile traf und grub sich durch das dicke Fell in die Haut, aber dann entkam das Tier und versteckte sich in einem Gestrüpp in der Steppe. Es würde eine Weile dauern, bis das Gift seine Wirkung zeigte, bis dahin
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