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Im Land des Silberfarns: Roman (German Edition)

Im Land des Silberfarns: Roman (German Edition)

Titel: Im Land des Silberfarns: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Temple
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Kraft hängte sie sich an das Tau, aber sie rutschte immer wieder ab – gleichzeitig begann der Regen jetzt ernsthaft und prasselte mit schweren, kalten Tropfen auf sie herunter. Mit einem letzten lauten Fluch zerrte Anne an dem Seil. Endlich begann der nasse Stamm sich zu bewegen. Der Ast des alten Baumes, über den die Taue liefen, ächzte bedenklich. Anne dachte nur noch daran, dass sie nicht mehr länger hier im Nassen stehen wollte – es dauerte schließlich eine Ewigkeit, um die wollenen Sachen, die sie trug, am Feuer zu trocknen. Mit ihrem ganzen Gewicht hängte sie sich an das Tau – und der Stamm schwang tatsächlich über dem neuen Haus.
    Gregory stellte sich auf, griff nach oben, um den Stamm in die richtige Richtung zu drücken. In dem Moment, als er den Stamm mit beiden Händen packte, ertönte ein berstendes Geräusch direkt über ihm. Der Ast, über den sie die Taue gelegt hatten, um sich die Arbeit zu erleichtern, gab mit einem knackenden, knirschenden Krachen nach und brach ab – sodass der Stamm direkt in Gregorys Arme fiel. Seine Beine knickten unter der Last ein, und er stürzte von dem niedrigen Dachfirst auf den weichen Waldboden – immer noch mit dem schweren Stamm in den Armen.
    David überblickte die Gefahr sofort und hechtete nach vorne, um die Last des Stammes von Gregorys Brust abzufangen. Stolpernd schaffte er es, den jüngeren Mann aus der Gefahrenzone zur Seite zu stoßen – aber er landete direkt unter dem Stamm, der sich aufgestellt hatte und ihm das Ende in die Brust rammte.
    Für einen Augenblick war es totenstill, nur das Prasseln des Regens war zu hören. Anne sprang nach vorne und landete auf ihren Knien neben ihrem Mann.
    »David!« Wie wild zerrte sie an dem Stamm. »Bleib ruhig, wir befreien dich. Das wird wieder. Ganz bestimmt wird das wieder!«
    Der Stamm rührte sich keinen Millimeter. »Hilf mir! Sofort!«, brüllte sie in Richtung Gregory.
    Aus dem Augenwinkel sah sie, wie er sich langsam aufrichtete. Ihm schien nichts passiert zu sein. Mühsam hinkte er näher und griff ebenfalls zu. Nichts rührte sich.
    »Ohne einen Hebel können wir dieses verdammte Stück Holz nicht bewegen«, stöhnte er auf. »Und der Ast ist abgebrochen. Wir müssen eine andere Möglichkeit finden …« Er sah sich suchend um und entdeckte einen armdicken Ast, der beim Entrinden achtlos auf dem Boden gelandet war. Schnell holte er ihn und schob ihn unter den Stamm – direkt neben Davids reglosen Körper. Vorsichtig drückte er den Ast nach unten. Der schwere Stamm bewegte sich – aber nur um wenige Zentimeter. Dann sank der Ast in den weichen Boden ein und konnte nicht mehr als Hebel verwendet werden. Immerhin nahm er ein wenig Gewicht von Davids Brust. Er hustete, rang um Luft und kam allmählich wieder zu Bewusstsein.
    Anne nahm seinen Kopf in die Arme. »Wir kriegen das Ding runter von dir! Halte durch, wir retten dich. Und ich pflege dich wieder ganz gesund! Ich kann das! Du weißt, dass ich das kann!« Sie streichelte seinen Kopf.
    Er sah an sich herunter. Sah, wie der Stamm in seinen massigen Brustkorb eingedrungen war. Schüttelte den Kopf. »Dieses Mal nicht …« Er hustete und rang nach Atem.
    »Doch!« Anne schrie, so laut sie konnte. Auf ihrem Gesicht vermischte sich der kalte Regen mit den Tränen. »Das erlaube ich nicht!«
    »Nicht … deine Entscheidung«, röchelte David. Er schien große Schmerzen zu haben und schloss die Augen wieder, während er weiter nach Luft rang.
    Inzwischen hatte Gregory noch einen kräftigen Ast gefunden, den er unter den Stamm schob. Dieses Mal achtete er darauf, dass er ihn nicht einfach in das weiche Erdreich schob, sondern einen festeren Untergrund fand. Wieder legte er seine ganze Kraft in den Versuch, die Last von Davids Brust zu nehmen. Der Stamm hob sich um wenige Zentimeter. Anne zog an Davids Arm – und tatsächlich bewegte er sich ein wenig und glitt unter dem Stamm hervor. Doch mit dieser Bewegung vergrößerte sich seine Wunde, und ein Schwall hellroten Bluts ergoss sich auf den Waldboden. Mit beiden Händen riss Anne das Hemd auf – und zuckte zurück. Es sah aus, als ob der Brustkorb eingedrückt sei – ein großer Teil seiner Lunge konnte so nicht arbeiten. Zusätzlich blutete er heftig aus dem Oberbauch. Seine Augen waren geschlossen, sie war sich nicht sicher, ob er überhaupt bei Bewusstsein war.
    Sie sah Gregory an und schüttelte fast unmerklich den Kopf. Diese Verletzung konnte man nicht einmal dann überleben, wenn

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