Im Land des Silberfarns: Roman (German Edition)

wandten sich wieder dem Landstreifen zu, der am Horizont langsam größer wurde. Eine lange Wolke hing darüber. Elizabeth Courtenay spürte, wie eine Gänsehaut über ihren Rücken nach oben kroch. Wie, hatte Anne doch geschrieben, nannten die Ureinwohner ihre Heimat? Sie versuchte sich daran zu erinnern – aber erst einige Wellen später fiel es ihr wieder ein, und sie murmelte den Namen leise vor sich hin.
    »Das Land der langen weißen Wolke«.
    Hoffentlich das Land der großen Zukunft …

NACHWORT
    Sicher ist: Nach meinen ersten beiden Romanen aus Neuseeland war meine Geschichte von Katharina und Sina, Ruiha und Ava, John und Brandon fertig erzählt. »Der Tanz des Maori« und »Der Gesang der Maori« hatten fast das komplette 20. Jahrhundert in Neuseeland überspannt, und alle Geister hatten am Ende von über 800 Seiten ihren Frieden gefunden.
    Aber eine Überlegung ließ mich nicht los: Wie war es wohl in dem Neuseeland der frühen Siedlertage? Der Zeit, in der nur Robbenschlächter und Walfänger auf den beiden Inseln zu Hause waren und das Leben noch rau und unberechenbar war? Ich fing an, über das frühe Neuseeland zu recherchieren – und stieß schon bald auf Kororareka. Das größte Freudenhaus der Südhalbkugel. Der Ort, an dem Walfänger, Seeleute und wenige Missionare am äußersten Punkt der Zivilisation zusammenlebten und wo es noch kein Gesetz gab, an das man sich halten musste oder wollte. Ich habe mir ausgemalt, wie die Frauen in diesem Ort wohl lebten – und wie sie es zu diesem Ort der Welt verschlagen hat. Keine Frau würde sich doch freiwillig in dieses Loch begeben … und allmählich entstand »meine« Anne Courtenay, die nie nach Kororareka wollte und der es gelang, von diesem Ort auch wieder wegzukommen.
    Ich habe die Geschichte von Elizabeth Guard gelesen, der ersten weißen Frau, die auf der Südinsel lebte. Sie wurde nach einem Besuch mit ihrer Familie in Sydney auf dem Heimweg von Maori gekidnappt (das war übrigens 1834 – und in Wirklichkeit am Taranaki). Ihr Mann sollte damals eine Kiste voller Schwarzpulver besorgen, um seine Frau bei den Maori auszulösen. Elizabeth Guards Mann segelte wieder nach Sydney und kam mit dem Schoner Isabella und der Man O’War Alligator zurück und richtete ein schreckliches Massaker unter den Maori an. Ich habe diese Geschichte an das Ostkap verlegt und sie meiner Anne Courtenay widerfahren lassen – und mir überlegt, was einer Frau wohl passiert, die monatelang unter den Maori lebt.
    Oder die Geschichte von Charlotte Badger, die als Sträfling nach Australien kam, als Haushälterin nach Tasmanien sollte und dann gemeinsam mit ihrer Freundin die Mannschaft eines Schiffes zur Meuterei brachte – und in Neuseeland blieb. Anfangs mit Freundin und Männern, später alleine mit ihrer Tochter, blieb sie unter den Maori. Als man ihr 1810 eine Überfahrt nach Australien anbot, verkündete sie, dass sie lieber unter den Maori sterben würde. Ihr Schicksal ist übrigens ungeklärt, manche Quellen sagen, sie sei weiter nach Tonga oder Amerika gereist.
    Und dann war da Samuel Marsden, der Missionar, der wohl wirklich die ersten Weinreben ins Land brachte. Die Überlieferungen aus diesen frühen Siedlertagen handeln immer von ungewöhnlichen Menschen, die sich mit Mut und Durchsetzungsvermögen einen Weg gebahnt haben, wo noch nicht einmal ein kleiner Pfad war. Und je länger ich mich damit beschäftigt habe, desto mehr wollte ich unbedingt aus diesen frühen Tagen eine Geschichte aus der Sicht einer Frau erzählen – eben die Geschichte von Anne Courtenay.
    Was aus Kororareka wurde? Nur wenige Meilen entfernt entstand Russell, die erste Hauptstadt von Neuseeland. Immer noch ein himmlisches Fleckchen Erde – auch wenn die meisten Bewohner von Russell die wenig ruhmreiche Vergangenheit ihrer Stadt lieber totschweigen … Sollten Sie einmal in diese Gegend kommen, dann wissen Sie immerhin, was sich wirklich einst in dieser malerischen Bucht abgespielt hat.