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Im Land des weiten Himmels

Im Land des weiten Himmels

Titel: Im Land des weiten Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Wolfe
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zu steuern. Als sich Hannah nach ihm umdrehte, reckte er den Daumen wie Frank, rief etwas, das sie im Motorenlärm nicht verstand, und lachte fröhlich. In einer weiten Linkskurve flog er über die Blockhäuser der Park Ranger hinweg und folgte der schmalen Schotterstraße nach Norden.
    Vor ihr ragte der Mount McKinley empor. Scheinbar zum Greifen nahe funkelten seine schneebedeckten Hänge im Sonnenlicht, und selbst um den Gipfel waren nur einige dünne Wolkenfetzen zu erkennen. »Denali« nannten ihn die Indianer, würde sie später von Schwester Becky erfahren, den »Großen« oder »Hohen«, weil er die größte Erhebung in dem riesigen Land war und sich majestätisch wie ein König aus der Bergkette der Alaska Range erhob. Sein Gipfel spiegelte sich im Wasser des Wonder Lake, eines malerischen Sees, und das einzige Leben, das er in seiner Nähe duldete, waren einige weiße Bergziegen, die an einem der felsigen Hänge entlangkletterten. Auf den Bergwiesen in seinen Ausläufern blühten wilde Blumen in allen Farben.
    Sie flogen so nahe an den Berg heran, dass der Gipfel über ihnen verschwand und Hannah bereits die dunklen Furchen in den schroffen Felswänden unterscheiden konnte – ein atemberaubender Anblick, der ihr auf eindrucksvolle Weise klarmachte, warum die Menschen in Alaska mit solcher Ehrfurcht von diesem Berg sprachen. Das Brummen der Jenny brach sich als dumpfes Echo an den steilen Wänden und veränderte sich erst, als Bannister die Maschine nach Süden lenkte und in eine weite Senke flog. Ohne Ankündigung steuerte er sie auf eine sandige Fläche am Ufer eines Sees hinab und brachte sie holpernd an einem Waldrand zum Stehen.
    Hannah drehte sich erschrocken um. »Was soll das, Clyde? Ich muss zurück! Ich hab keine Lust, den Zug zu verpassen.«
    »Ich will Ihnen nur was zeigen. Kommen Sie!«
    Sie ließ sich widerwillig aus dem Cockpit helfen, nahm die Lederkappe und die Schutzbrille ab und folgte ihm zum Waldrand. »Hören Sie, Clyde. Ich hab wirklich keine Zeit.«
    »Dauert nur ein paar Minuten. Wir sind gleich da.«
    Er führte sie auf einen schmalen Wildpfad, der in zahlreichen Windungen durchs Unterholz führte und abrupt vor einem Felsvorsprung endete. Von dort hatte man einen atemberaubenden Ausblick auf einen Wasserfall, der sich über basaltgraue Felsen in das tiefer liegende Flussbett ergoss. »Na, hab ich Ihnen zu viel versprochen?«
    »Sehr eindrucksvoll«, bestätigte sie. »Aber jetzt muss ich wirklich weiter. Seien Sie mir nicht böse, Clyde, aber ich habe es tatsächlich sehr eilig …«
    »Nun seien Sie doch nicht so schüchtern.« Er packte sie an den Oberarmen, drängte sie gegen einen Baum und presste seine Lippen auf ihren Mund. Sein Annäherungsversuch kam so schnell und plötzlich, dass sie sekundenlang wie erstarrt war und sich erst gegen ihn wehrte, als seine eine Hand sich grob unter ihren Rock schob, während die andere seine Hose öffnete.
    Mit einem heftigen Tritt gegen sein Schienbein trieb sie ihn zurück. Sie rang verzweifelt nach Atem, zerrte an ihren Kleidern und rief: »Was fällt Ihnen ein? Bringen Sie mich sofort zurück!«
    Er grinste frech. »Mir brauchen Sie doch nichts vorzumachen, Hannah. Wir wollen beide das Gleiche, oder warum sind Sie sonst mitgeflogen? Ich kann da ein paar Sachen, die Ihnen bestimmt gefallen werden. Zum Bahnhof kommen Sie noch früh genug, und wenn nicht, bringe ich Sie mit der Jenny nach Fairbanks.«
    Er näherte sich ihr erneut, riss sie am Arm zu sich her und hielt sie fest wie ein Schraubstock. In seine Augen war ein gefährliches Funkeln getreten. »Hier sieht uns niemand, Hannah! Hier sind wir ganz unter uns!«
    Mit letzter Kraft riss Hannah sich noch einmal los, schrie und weinte und stampfte vor Wut mit dem Fuß auf. »Wenn Sie mich noch einmal anfassen, Bannister, können Sie was erleben. Ich bringe Sie ins Gefängnis, und Ihre Fluglizenz sind Sie auch los, dafür sorge ich!«
    Obwohl es ein Leichtes für ihn gewesen wäre, sie zu überwältigen, entschied er sich für den Rückzug. »Schon gut, wildes Pferdchen, schon gut. Es gibt andere schöne Frauen, die nicht so zimperlich sind wie Sie. Ich bin nicht auf Sie angewiesen. Ich dachte, Sie sind aus diesem Grund mitgeflogen, aber ich habe mich wohl geirrt. Tut mir leid, okay?«
    »Bringen Sie mich zurück, Bannister! Jetzt gleich!«

13
    Auf der Fahrt nach Fairbanks ließ sich Hannah nichts anmerken. »Einmalig«, antwortete sie auf Schwester Beckys Frage, wie ihr der Berg

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