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Im Land des weiten Himmels

Im Land des weiten Himmels

Titel: Im Land des weiten Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Wolfe
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die ersten Gletscher auf. Weite Eisfelder überzogen die steilen Hänge der Berge und fielen an der Küste steil ab, bildeten ein Labyrinth aus strahlend weißen und leuchtend blauen Eisformationen und dunklen Höhlen. Mächtige Eisberge trieben vor der Küste, bildeten eine scheinbar undurchdringliche Barriere vor dem schroffen Hinterland.
    Mit Hannah waren auch die meisten anderen Passagiere an Deck gekommen. Nur der Fallensteller ließ sich nicht blicken. Wie gebannt schauten die Leute auf die dramatische Küste, unterhielten sich nur ehrfurchtsvoll flüsternd, obwohl selbst die Maschinen des Dampfers es nicht schafften, die Natur in ihrer Ruhe zu stören. Dieses Land zeigte sich unbeeindruckt von Menschen, Tieren und Maschinen. Seinen Unmut schien es nur zu äußern, indem mächtige Eisbrocken von einem kalbenden Gletscher brachen und mit einem dumpfen Krachen ins Wasser fielen.
    Hannah war so beeindruckt vom Anblick dieser urwüchsigen Natur, dass ihr Tränen in die Augen traten. Voller Ehrfurcht blickte sie auf die Küste des Landes, das sie zu ihrer Heimat auserkoren hatte. Ihr Traum ging endlich in Erfüllung, und sie spürte eine tiefe Zufriedenheit, auch wenn sie noch lange nicht am Ziel war und eine ungewisse Zukunft vor ihr lag. Das hier war ein Paradies, ein wildes und urwüchsiges Land, das noch im Urzustand der Schöpfung zu verharren und keine Anstalten zu machen schien, sich der Zivilisation zu öffnen. Selbst die beiden Wale, die prustend zwischen einigen Eisbergen auftauchten, kamen wohl aus einer anderen Welt.
    Am frühen Morgen eines sonnigen Junitages erreichten sie Seward. Vorbei an den Eismassen des gewaltigen Bear Glacier dampfte die SS Yukon in die langgestreckte Resurrection Bay und näherte sich mit halber Kraft dem Hafen. Ihre Bugwellen brachten die zahlreichen Fischerboote, die in der Bucht ankerten, zum Schwanken und forderten ein paar Delfine heraus, die es sich nicht nehmen ließen, ihr Publikum mit eleganten Sprüngen zu beeindrucken. Fischer, die auf einem der langen Anlegestege saßen und Netze flickten, ließen ihre Arbeit sinken und beobachteten das riesige Dampfschiff, wie es vor dem Ende der Bucht wendete und langsam in den Hafen einfuhr. Begleitet von hungrigen Möwen, die auf Essensreste von Passagieren oder Schaulustigen warteten, ging es vor Anker.
    Captain Bliss verabschiedete sich persönlich von allen Passagieren, die sein Schiff verließen, und wünschte Hannah die Zukunft, die sie in ihren Träumen gesehen hatte. Er verstand sich auf Komplimente. Sie bedankte sich mit einem Lächeln und trug ihren Koffer zur nahen Bahnstation. So beeindruckend die Reise gewesen war, genoss sie es doch, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Ihre Knie waren ein wenig zittrig.
    Der Dampfzug der Alaska Railroad wartete bereits vor dem Bahnhofsgebäude. Er war wesentlich einfacher ausgestattet als die Expresszüge in New York und Chicago, es gab weder einen Speisewagen noch einen Lounge Car und auch keine reservierten Sitze. Der Zug war jedoch halbleer, und sie hatte keine Mühe, einen Platz zu finden.
    Noch einen Tag bis Fairbanks, dann hatte sie es fast geschafft. Dort würde sie ein paar Dollar für warme Winterkleidung opfern. In ihrer Geldbörse waren noch fünfzehn Dollar. McGarrett hatte ihr das Chena Warehouse empfohlen, einen Gemischtwarenladen, der während des Goldrausches aufgemacht hatte und seitdem zu einem Kaufhaus angewachsen war. Bobby Wainwright, der Besitzer, war mit dem Fallensteller auf die Jagd gegangen, bevor es ihn in die Stadt verschlagen hatte. »Sagen Sie ihm einen schönen Gruß vom alten Amos, dann dreht er Ihnen keine unnützen und überteuerten Pelzjacken an«, gab er ihr mit auf den Weg.
    »Und Sie? Fahren Sie nicht nach Fairbanks?«, fragte sie enttäuscht, weil sie ein wenig gehofft hatte, die Hilfe des alten Fallenstellers in Anspruch nehmen zu können. Jetzt, kurz vor dem Ziel, hatte sie schon ein wenig Angst vor der eigenen Courage.
    »Ich hab einiges zu erledigen hier«, antwortete er. »Will mal sehen, ob eine alte Freundin noch in der Gegend wohnt. Vor ein paar Jahren lebte sie in Nanwalek, einem Fischerdorf ganz in der Nähe. Sie gehört zu den wenigen, die mir nicht den Laufpass gegeben haben, vielleicht freut sie sich sogar, dass ich zurückkomme.« Er grinste breit. »Ich werde ihr ein paar Zuckerstangen kaufen, die mochte sie besonders gern. Vielleicht hilft es was.«
    »Übertreiben Sie es nicht mit den Nettigkeiten, Amos!«, warnte

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