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Im Land des weiten Himmels

Im Land des weiten Himmels

Titel: Im Land des weiten Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Wolfe
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keine Zeit und dachte, ich könnte vielleicht mit Ihnen reiten. Ich bezahle Sie auch.«
    Er hielt mitten in der Bewegung inne, starrte auf seine volle Gabel und wandte langsam den Kopf. Ungläubig musterte er sie von Kopf bis Fuß. »Ich hab mich wohl verhört, Missy! Haben Sie mich eben gefragt, ob ich Sie zum Gold River mitnehme? Das kann doch nicht Ihr Ernst sein!«
    »Natürlich ist das mein Ernst«, konterte sie seine Unverschämtheit, »und ich bin nicht Ihre Missy! Merken Sie sich das! Hannah oder Miss, aber weder Kindchen noch Schätzchen noch sonst einer dieser blöden Ausdrücke, die alte Männer auf Lager haben, wenn sie jungen Frauen imponieren wollen.«
    Sie nickte der Bedienung zu, die eingeschüchtert einen Becher mit Kaffee auf den Tresen stellte. »Also noch mal von vorn: Ich bin Hannah Stocker aus New York und möchte, dass Sie mich zu meinem Onkel Leopold an den Gold River mitnehmen. Ich bin auf einem Bauernhof in Deutschland aufgewachsen und habe als Kind oft auf einem Pferd gesessen. Und ich bin nicht zimperlich.«
    »Kommt nicht infrage«, wehrte er ab. Er hatte sich vom ersten Schrecken erholt und kaute schon wieder. »Ich hab keine Pferde, sondern Maultiere, und die können Weiber genauso wenig leiden wie ich. Die würden Sie sofort abwerfen, wenn Sie auf ihren Rücken klettern.« Er betrachtete ihren langen Mantel und den Hut. »Gehen Sie nach New York zurück, Missy, und überlassen Sie den Busch uns Männern.« »Busch«, so hatte sie vergangenen Abend von Eranie Waechter gelernt, nannten Einheimische die Wildnis in Alaska.
    »Hannah oder Miss«, verbesserte sie ihn erneut.
    »Ich reite nicht zum Gold River.«
    »Warum nicht?«
    »Weil ich keine Post für die Wilden habe und außerdem keine Lust, Ihretwegen einen Umweg zu machen. Am Gold River gibt es einen alten Indianertrail, weiter nichts. Wissen Sie, wie schwer man da vorwärtskommt?«
    »Ich bezahle Sie.«
    »So viel Geld haben Sie nicht.«
    »Mein Onkel weiß, was der Umweg wert ist, und zahlt Ihnen einen fairen Preis. Oder haben Sie genug auf der hohen Kante? Ich gehe jede Wette ein, dass Sie das Frühstück nicht selbst bezahlen. Hab ich recht, Mr Cowboy?«
    Er schluckte seinen Ärger herunter. »Sind Sie zum ersten Mal hier?«
    »Und wenn?«
    »Bis zum Gold River sind es sechzig Meilen, die schafft man nicht im Handumdrehen. Da draußen gibt es Grizzlys und Wölfe und andere wilde Tiere. Ich hab keine Lust, mich mit einer Lady …« Er dehnte das »Lady«, dass sie den Hohn darin nicht überhören konnte, »ich habe keine Lust, mich mit einer Lady abzugeben, die schon beim Anblick eines Fuchses oder einer Eule in Ohnmacht fällt. Ich kann Sie nicht brauchen.«
    Hannah rückte etwas näher an ihn heran. »Ich hab New York überlebt, Mister, und da geht es manchmal noch wilder zu als in diesem sogenannten Busch. Ich hab keine Angst vor Bären und Wölfen.« Sie griff sich an den Hut. »Und keine Bange, ich kaufe mir heute noch andere Kleidung. Ich weiß selbst, dass man in so einem Aufzug nicht durch die Wildnis reitet. Wann wollen Sie los?«
    Er ließ die Gabel sinken und blickte sie genervt an. »Sie lassen nicht locker, was? So ein aufsässiges Weib wie Sie habe ich noch nie getroffen.«
    »Um wie viel Uhr, Buddy?«
    Er überlegte eine Weile, nahm einen Schluck Kaffee, starrte der Bedienung nach und zögerte die Antwort noch etwas hinaus. »Okay, okay«, willigte er schließlich ein, »ich nehme Sie mit. Aber nur unter einer Bedingung …«
    »Und die wäre?«
    »Ich gebe die Befehle. Wenn ich sage, nach links, dann reiten Sie nach links, und wenn ich sage, nach rechts, dann reiten Sie nach rechts. Und wenn ich anhalten lasse, steigen Sie gefälligst aus dem Sattel. Sie meckern nicht, wenn ich rauche oder einen Schluck aus der Pulle nehme, und Sie bekommen keinen Schreikrampf, wenn sich ein Fuchs sehen lässt. Und wenn uns tatsächlich ein Bär begegnet, bleiben Sie stehen und tun, was ich Ihnen sage. Haben Sie mich bis hierhin verstanden, Missy?« Er zögerte kurz. »Miss … Hannah?«
    »Klar und deutlich«, antwortete sie.
    »Ach ja, und noch was«, fügte er hinzu, »ich möchte nicht, dass Sie mir die Ohren vollquatschen. Verhalten Sie sich am besten wie eine Squaw, die sagen überhaupt nichts, wenn sie unterwegs sind. Haben Sie das auch verstanden?«
    »Aye, Sir.« Sie hätte beinahe salutiert.
    »Sie sind eine harte Nuss, wissen Sie das?«
    »Um wie viel Uhr, Cowboy?
    »Um sieben Uhr vor dem Post Office. Seien Sie

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