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Im Land des weiten Himmels

Im Land des weiten Himmels

Titel: Im Land des weiten Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Wolfe
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pünktlich!«
    »Abgemacht.« Sie verzichtete darauf, die Abmachung mit einem Handschlag zu besiegeln, legte zehn Cent für den Kaffee auf den Tresen und ging zur Tür. Sie war schon beinahe draußen, als Buddy Lyman noch einmal rief.
    »Ja?«
    »Kaufen Sie Ihre Ausrüstung im Chena Warehouse, da werden selbst Ladys aus New York nicht übers Ohr gehauen. Bobby Wainwright ist in Ordnung. Aber sagen Sie nicht, dass ich Sie geschickt habe, sonst erzählt er überall herum, dass ich nicht alle Tassen im Schrank habe. Wenn ich’s mir recht überlege, stimmt das sogar. Buddy Lyman als Babysitter einer Lady. Wenn das meine Kumpel in Montana hören könnten … Ich wäre erledigt, Lady.«
    »Sie werden es überleben. Schon mal von Annie Oakley gehört?«
    Er runzelte die Stirn. »Wer soll das sein?«
    »Eine Frau aus dem Mittelwesten. Sie trat bei Buffalo Bill in seiner Wildwest-Show auf und konnte besser schießen als jeder Mann. Unserem Kaiser Wilhelm in Deutschland hat sie die Zigarre aus dem Mund geschossen.«
    »Kaiser Wilhelm? Nie gehört.«
    »So was wie der Präsident.«
    »Die meisten Frauen hätten weit vorbeigeschossen.«
    Sie wollte nicht gehen, ohne ihm etwas zum Nachdenken mitzugeben. »Die Zeiten haben sich geändert, Mr Cowboy. Wir Frauen sind keine dummen Weiber mehr, die Männern wie Ihnen die Stiefel schnüren. Wir haben unseren eigenen Kopf. Bis morgen früh.«

14
    Buddy Lyman wartete bereits mit den Maultieren, als Hannah pünktlich um sieben vor dem Post Office erschien. Die beiden Packtiere waren schwer beladen, trugen die in Taschen, Säcken und fest verschnürten Ballen verpackten Waren, die abseits der Stadt wohnende Familien oder in der Wildnis lebende Fallensteller über einen Versandhauskatalog bestellt hatten, und die Briefe, die zum Teil über vier Wochen unterwegs gewesen waren. Der Postreiter hielt zwei weitere Maultiere an den Zügeln, eins für Hannah und eins für sich. »Guten Morgen, Missy«, begrüßte er Hannah. »Sie sind pünktlich.«
    »Haben Sie etwas anderes erwartet?« Hannah trug einen Reitrock und eine gefütterte Jacke, hatte sich auch robuste Stiefel zugelegt, die wie angegossen saßen. Ein neuer breitkrempiger Hut schützte ihre blonden Haare, die sie im Nacken mit einem Lederband zusammengebunden hatte. Um den Hals trug sie ein rotes Tuch, ein Geschenk des Ladenbesitzers, der sie erstklassig bedient und ihr einen großzügigen Rabatt und sogar Kredit gewährt hatte, als die Namen von Amos McGarrett und Buddy Lyman gefallen waren. Sie hoffte, sich das Geld von ihrem Onkel leihen und ihre Schulden bei ihm abarbeiten zu können. Die Winterkleidung würde sie sich später besorgen.
    »Und ich dachte schon, Sie rücken hier mit zwanzig Schrankkoffern an wie die Ladys, die ich im Hafen von Anchorage gesehen habe«, sagte Buddy, als er ihre Reisetasche auf die Packtiere lud. In seinen Worten lag eine Spur Anerkennung. »Aber den Koffer hätten Sie sich sparen können. Das sperrige Ding passt vielleicht in ein Gepäcknetz, aber nicht auf ein Maultier.«
    Hannah nahm ihm den Koffer aus der Hand, öffnete ihn und verteilte den Inhalt auf die Satteltaschen ihres Reittieres. »Dann tauschen wir eben.« Sie stellte den leeren Koffer auf den hölzernen Gehsteig vor dem Post Office. »Sie behalten meinen Koffer, und ich nehme mir dafür die Satteltaschen.«
    »Die Satteltaschen? Wissen Sie, was die wert sind?«
    »Weniger als mein Koffer.«
    »Das schäbige Ding?«
    »Ein Erbstück, Buddy. Von meiner Mutter.«
    Der Postreiter ahnte anscheinend, dass er bei einem längeren Streit den Kürzeren ziehen würde, und brachte den Koffer ins Haus. Als er zurückkam, griff er nach den Zügeln ihres Maultiers. »Na, dann wollen wir mal sehen, ob Sie im Sattel auch noch so ein großes Mundwerk haben.«
    Es war eine Ewigkeit her, dass Hannah auf dem Rücken eines Pferdes gesessen hatte, und das Pferd damals war ein altersschwacher Ackergaul gewesen, den ihr Vater auf dem heimatlichen Bauernhof ausgemustert hatte. Ein Maultier sah sie zum ersten Mal. Auf den ersten Blick machte es einen vertrauenswürdigen Eindruck. Es war kleiner als ein Pferd und rührte sich kaum, als sie in den Steigbügel stieg und sich in den Sattel zog. Doch kaum ergriff sie die Zügel, fing es an zu scheuen und gab seltsame Laute von sich. Ohne Vorwarnung lief es los, rannte beinahe den Postreiter über den Haufen und wäre mit ihr durchgegangen, wenn er nicht blitzschnell reagiert und es an der Mähne gepackt

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