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Im Land des weiten Himmels

Im Land des weiten Himmels

Titel: Im Land des weiten Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Wolfe
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hätte.
    »Hoo, hoo«, beruhigte er das nervöse Tier, »nicht so stürmisch!« Er führte es zurück und blickte Hannah grinsend an. »Das fängt ja gut an. Ein Maultier ist eine Diva, Missy, das kann man nicht wie einen x-beliebigen Klepper behandeln. Maultiere haben empfindliche Seelen, da müssen Sie schon ein bisschen gefühlvoller sein. Machen Sie sich erst mal mit ihm bekannt.«
    Hannah war blass geworden, schaffte es aber, ihre Angst zu verbergen und einen einigermaßen gefassten Eindruck zu machen. Sie beugte sich nach vorn. »Hey«, flüsterte sie dem Maultier ins Ohr. »Ich bin Hannah und mag es nicht, wenn man mich so erschreckt. Benimm dich gefälligst! Ich hab noch nie auf einem Maultier gesessen und muss mich erst an dich gewöhnen.«
    Das Maultier zeigte keine Reaktion.
    »Hast du mich verstanden? Du wirst dich jetzt zusammenreißen und so bewegen, dass ich nicht wie ein Rodeo-reiter durchgeschüttelt werde. Oder willst du, dass ich mich vor Buddy blamiere? Keine Bocksprünge mehr!«
    »Seien Sie nett zu ihm, dann ist es nett zu Ihnen«, sagte Buddy.
    Diesmal schien das Maultier sie verstanden zu haben und verharrte ruhig auf seinem Platz, bis der Postreiter aufgesessen war und die durch Lederstricke verbundenen Packtiere an den Zügeln genommen hatte. »Bleiben Sie dicht hinter mir, Missy, und denken Sie an das, was ich Ihnen gestern gesagt habe. Auf dem Trail zählt nur mein Wort. Sie tun, was ich sage, kapiert?«
    »Miss oder Hannah«, verbesserte sie ihn.
    »Müssen Sie eigentlich immer das letzte Wort haben?«
    »Meistens«, antwortete sie.
    Sie ritten in gemächlichem Tempo aus der Stadt. Am frühen Morgen hatte es aufgeklart, am Himmel standen wenige Wolken, und am Horizont ließ sich sogar die Sonne blicken. Nur der feuchte Boden erinnerte noch an den Nieselregen, der bis weit nach Mitternacht über dem Land niedergegangen war. Die Maultiere schien das nicht zu stören. Sie waren das wechselhafte Wetter in Alaska gewöhnt und hatten einen besseren Stand als ein Automobil, das mitten auf der Straße in einer Wasserlache steckengeblieben war und dessen Räder durchdrehten. Der Fahrer stieg aus und blickte neidisch zu ihnen herüber.
    Zu Hannahs großer Überraschung begann die Wildnis nicht direkt hinter der Stadt. Bis zum Chena River zogen sich die weiten Felder einer Farm, wie man sie auch im Mittelwesten sehen konnte, nur dass die Feldfrüchte hier wesentlich größer und auch früher reif waren. Dick und schwer hingen die Erdbeeren an den Sträuchern, und auf dem Nachbaracker gediehen riesige Salatköpfe.
    Buddy beugte sich aus dem Sattel, pflückte eine Erdbeere und warf sie ihr zu. »Die Sommer sind kurz, aber hier oben ist es länger hell, und die Früchte gedeihen schneller. So gute Erdbeeren gibt es in ganz Kalifornien nicht.«
    Sie probierte und musste ihm recht geben. Die Erdbeere war so saftig, dass ihr das Fruchtfleisch übers Kinn lief. »Und die Leute in New York denken, hier gibt es nur Schnee und Eis. Die würden Augen machen, wenn man ihnen die Erdbeeren zeigen würde. Ich sollte auch welche anpflanzen.«
    »Am Gold River? Da gab es mal Gold, aber Erdbeeren?«
    »Gab? Und jetzt gibt es kein Gold mehr?«
    »Viel Hoffnung würde ich mir jedenfalls nicht machen, falls es das ist, wonach Sie suchen. Ihr Onkel war niemals reich. Er hat sein Auskommen, gehörte aber nicht zu den vier oder fünf Leuten, die damals auf eine wirklich große Ader stießen. Millionen gab es am Gold River nie zu holen, und wer immer dem Fluss seinen Namen gegeben hat, lag leider daneben. Dem Dutchman war’s egal, der wollte nur allein sein und einigermaßen über die Runden kommen. Alle paar Monate bekam er einen Brief aus Deutschland, den riss er mir jedes Mal sofort aus der Hand, aber mehr war nicht. Seit ich ihn kenne, haben wir vielleicht fünf Sätze gesprochen. Ich halte auch keine Volksreden, außer es zwingt mich jemand dazu, wie Sie, aber der … Der war schweigsamer als eine Auster und froh, wenn er sich verkriechen konnte.«
    Sie ritten eine Weile schweigend dahin. Hannahs Maultier benahm sich inzwischen mustergültig und machte ihr das Reiten leicht, folgte mit gleichmäßigen Schritten den anderen Tieren und schüttelte nur den Kopf, wenn zu viele Insekten vor seinen Augen schwirrten. Hannah hatte sich bereits an das ständige Schaukeln gewöhnt und gelernt, ihre Bewegungen dem Rhythmus des Tieres anzupassen. Als Buddy sich im Sattel umdrehte und ihr einige Zeit beim Reiten zusah, hatte er

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