Im Land des weiten Himmels
Widrigkeiten zu trotzen, auch wenn sie so unangenehm waren wie dieser Clyde Bannister. Sie straffte sich, hob ihr Gewehr auf und ging langsam zur Anlegestelle hinunter. Falls Bannister wirklich aus der Maschine stieg, würde sie ihm den Gewehrlauf unter die Nase halten und ihn zwingen, sofort weiterzufliegen. Das Dröhnen in ihren Ohren ließ allmählich nach, dafür spürte sie jetzt ihre schmerzende Wange. Sie brannte wie Feuer, als wäre Hannah von der Faust eines Boxers getroffen worden. Sie war eine tolle Heldin, schalt sie sich, vor ihr würde ein Clyde Bannister sicher nicht die Flucht ergreifen, auch wenn sie Hosen trug.
Sie drückte den Rücken durch, trat auf den hölzernen Steg, an dem auch ihr Ruderboot vertäut lag, und beobachtete, wie die Maschine elegant mit den Schwimmern aufsetzte und inmitten spritzender Gischt zum Stehen kam. Mit tuckerndem Motor steuerte der Pilot die Jenny an den Steg, schaltete den Motor ab und sprang mit einer Leine in der Hand an Land. Er vertäute die Maschine an dem hölzernen Pfosten, nahm die Lederkappe und die Schutzbrille ab und lächelte breit.
»Frank!«, flüsterte sie überrascht.
21
»Hey, Hannah! Wolltest du mich vom Himmel schießen?« Frank kam ihr entgegen, ein strahlendes Lächeln im Gesicht. »Als ich dich da unten mit einem Gewehr rumballern sah, dachte ich schon, du wärst auf dem Kriegspfad.«
»Rede keinen Unsinn!«, erwiderte sie. »Küss mich endlich!«
Sie schlang die Arme um seinen Hals und spürte einen erregenden Schauer, als er ihren Leib umfasste, sie an sich zog und hart und fordernd küsste. Sie erwiderte seinen Kuss ebenso ungestüm und drängte sich so fest an ihn, dass sie beinahe ins Wasser stürzten. »Frank! Mein Gott, Frank!«, flüsterte sie, als sie nach einem scheinbar unendlich langen Kuss erschöpft nach Atem rangen. Erst als sich ihre Lippen erneut berührten, kam ihr in den Sinn, wie schäbig er sie behandelt hatte. Sie stieß ihn von sich und starrte ihn vorwurfsvoll an.
»Hannah … Was ist mit dir, Hannah?«
»Was mit mir ist? Du hast mich abserviert wie ein kleines Mädchen, das ist mit mir! Beim Picknick machst du mir schöne Augen und versprichst mir, mich am nächsten Morgen abzuholen und zum Hafen zu bringen, und wer am nächsten Morgen nicht ins Hotel kommt, bist du! Und anstatt dich klammheimlich aus dem Staub zu machen, wie Feiglinge wie du das eben so machen, besitzt du auch noch die Frechheit, mit diesem blonden …« Ihr fiel kein passendes Schimpfwort ein. »… mit dieser blonden Frau über mich wegzufliegen!«
»Aber das war …«
»Spar dir deine Ausreden!«, fuhr sie ihm über den Mund. »Du bist über unser Schiff geflogen … Ich hab dich genau erkannt! Und deine blonde Freundin war auch nicht zu übersehen! Hast du ihr auch einen Stunt gezeigt?« Hannah weinte vor Wut. »Es stimmt wohl doch, was man über euch Barnstormers erzählt: In jeder Stadt, in der ihr auftretet, habt ihr eine andere Frau sitzen!«
»Das ist nicht wahr! Hannah …«
»Vergiss es!« Sie lief weinend ins Haus und schlug die Tür hinter sich zu, stürmte in ihr Schlafzimmer und warf sich aufs Bett. Wie ein Teenager, der seinen ersten Liebeskummer erlebte, heulte sie das Kissen nass. Die ganze Enttäuschung, die sie während der letzten harten und einsamen Wochen mühsam unterdrückt hatte, brach aus ihr heraus. So unglaublich heftig hatte sie sich noch nie in jemanden verliebt, und obwohl ihr der Verstand gesagt hatte, dass ein Pilot wie Frank sicher mehrere Freundinnen umgarnte und ihrer Liebe ohnehin keine Zukunft beschieden war, hatte sie sich wohl doch mehr von ihm erhofft. Vor allem weil Frank, wie er ihr in ihren Tagträumen begegnete, so perfekt in ihr Bild von einer gemeinsamen Zukunft passte. Immer wenn sie auf die Veranda trat und sich mit geschlossenen Augen den Wind ins Gesicht wehen ließ, sah sie sich gemeinsam mit Frank vor dem Haus stehen. In ihren Gedanken gehörten Frank und sie zusammen.
Reiß dich zusammen, rief sie sich zur Ordnung und putzte sich die Nase, benimm dich wie eine erwachsene Frau! So machst du dich doch lächerlich! Er hat dir weder das Gefühl gegeben, die Einzige für ihn zu sein, noch hat er dir versprochen, auf immer und ewig bei dir zu bleiben. Draufgänger wie er sind eben so, sie freuen sich, mit einer Frau zusammen zu sein, und flirten im nächsten Augenblick mit einer anderen. Entweder akzeptierst du das, oder du jagst ihn zum Teufel.
»Sei nicht kindisch, Hannah!«, rief Frank von
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