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Im Land des weiten Himmels

Im Land des weiten Himmels

Titel: Im Land des weiten Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Wolfe
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plötzlich das Gefühl, beobachtet zu werden. Jetzt sehe ich schon Gespenster, sagte sie sich und arbeitete weiter. Mit der Schaufel beförderte sie die Asche, die der Wind über die ganze Lichtung verstreut hatte, in ein weiteres Loch und deckte auch dieses mit Erde zu. Bis auf die verkohlten Häuser hatte sie fast alle Spuren der Goldgräber beseitigt. Sie hoffte sehr, dem Häuptling mit dieser Geste bewiesen zu haben, dass sie es ehrlich meinte.
    Erschöpft kehrte sie nach Hause zurück. Sie brachte dem Husky getrockneten Lachs, seine Leibspeise, und gönnte sich Spaghetti mit Tomatensoße, ihre Leibspeise. Todmüde schlief sie am Abend dieses ereignisreichen Tages ein. Sie träumte nicht, erwachte nur einmal, als ein Rabe am Fenster erschien und ihr etwas vorkrächzte. Sie dachte an das, was Chief Alex gesagt hatte, dass der Rabe ihm half, die Geister zu verstehen und wohl ein heiliges Tier bei ihnen war, und schlief weiter.
    Während der nächsten Tage probierte sie ihr Gewehr aus. Sie steckte einige Patronen in die rechte Tasche ihrer Nietenhose, schulterte die Waffe und zog damit zum Waldrand. Bei dem Gedanken, was wohl ihre Freundin Clara sagen würde, wenn sie plötzlich hier auftauchen würde und sie in Nietenhose und mit einem Gewehr über den Schultern sähe, musste sie so laut lachen, dass der Husky, der sie wieder begleitete, verwirrt zu ihr hochblickte. »Keine Bange«, rief sie ihm lachend zu, »ich hab nicht den Verstand verloren. Ich musste nur gerade an was denken. Clara würde hier wahrscheinlich genauso staunen wie du, wenn man dich in New York aussetzen würde. Sei froh, dass niemand das tut.«
    Hannah suchte sich einen hüfthohen Felsbrocken nahe dem Waldrand aus und legte einen faustgroßen Stein arauf. In einer Entfernung von ungefähr fünfzig Schritten stellte sie sich auf. Sie kam sich ein wenig albern vor, hatte aber längst erkannt, dass eine Frau, die allein in der Wildnis lebte, auch ihren Mann stehen musste. Böse Zungen behaupteten allerdings, dass man in New York noch viel eher mit einer Schusswaffe umgehen können musste. Straßenräuber in der Bowery seien gefährlicher als ein Grizzly. Sie wollte es besser nicht darauf ankommen lassen, zog den Hahn zurück und legte den Kolben an die Wange. Eine Hand unter dem Lauf, die andere am Abzug, visierte sie den Felsbrocken an. Schon nach wenigen Augenblicken verschwamm das Ziel vor ihren Augen. Sie ließ die Waffe sinken, atmete ein paarmal tief durch und versuchte es erneut. Diesmal behielt sie das Ziel im Visier. Mit einem Auge starrte sie auf den Stein. Sie hatte gehört, dass es beim Schießen vor allem auf die Atmung ankam. Ruhig atmen, die Luft anhalten, das Ziel anvisieren und abdrücken.
    Genau das tat sie jetzt, vernachlässigte dabei aber eine andere Regel, die dem Schützen empfahl, auf einen festen Stand zu achten, um vom Rückschlag nicht zu Boden geworfen zu werden. Mit einem ohrenbetäubenden Krachen löste sich der Schuss. Die Kugel fuhr weit an ihrem Ziel vorbei in die Krone eines Baumes, und der Kolben schlug so heftig gegen Hannahs Wange, dass sie mit einem Aufschrei das Gewehr fallen ließ, rückwärts über die Wiese torkelte und inmitten der farbenprächtigen Wildblumen zu Boden ging.
    Vor Schmerz stöhnend blieb sie liegen. Ihre Ohren dröhnten so stark, dass sie weder den Husky, der laut bellend zum Haus floh, noch das Brummen des Flugzeugmotors hörte, das plötzlich über ihr ertönte. Sie sah die Maschine erst, als sie über die Bäume geschossen kam und dicht über sie hinwegbrauste. Eine Curtiss JN-4! Eine rote Jenny! Allerdings ohne Räder und mit zwei wuchtigen Schwimmern unter dem Rumpf. So viel konnte sie gerade noch erkennen, als die Maschine in eine steile Kurve ging und wieder über den Bäumen verschwand. Das laute Motorengeräusch verklang in der Ferne.
    Hannah stemmte sich vom Boden hoch und blieb wankend stehen, drückte beide Hände gegen ihre Ohren, um das Dröhnen loszuwerden. Wieder entdeckte sie den Doppeldecker erst, als er über den Bäumen auftauchte und mit schaukelnden Tragflächen über sie hinwegflog.
    Clyde Bannister, schoss es ihr durch den Kopf, wie hat der Mistkerl herausbekommen, wo ich bin? Will er sich nun holen, was er damals nicht bekommen hat? Oder ist sein Auftauchen hier tatsächlich Zufall? Hannahs Knie schlotterten, sie hatte den übermächtigen Drang, ins Haus zu rennen und sich unter dem Bett zu verkriechen. Aber das durfte sie nicht. Sie hatte sich geschworen, allen

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