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Im Land des weiten Himmels

Im Land des weiten Himmels

Titel: Im Land des weiten Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Wolfe
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draußen. »Ich liebe dich! Oder meinst du, ich fliege über zweitausend Meilen, nur um mir die schöne Gegend anzusehen? Ich bin deinetwegen hier, verdammt!«
    »Liebe«, noch so ein Wort, das Männer wie er viel zu leichtfertig in den Mund nahmen. Wieso hatte er das nicht am Mount Rainier zu ihr gesagt, warum in einem so beiläufigen Satz? Außerdem kannten sie sich kaum. Im Grunde durfte er das überhaupt nicht sagen. Überhaupt gar nicht. Aber sie liebte ihn ja auch. Sie stand auf und trat vor die Waschschüssel, machte erschrocken einen Schritt zurück. Sie sah furchtbar aus. Nicht nur, dass sie verquollene Augen hatte. Ihr Gesicht war rußverschmiert, und auf ihrer rechten Wange bildete sich bereits ein dunkler Bluterguss. Ihre Haare waren zerzaust. Ihre Baumwollhose war schmutzig.
    »Mein Gott! Wie sehe ich denn aus?«, flüsterte sie entsetzt.
    Sie wusch sich das Gesicht mit einem feuchten Waschlappen, tupfte den Bluterguss sauber und trocknete sich vorsichtig mit einem weichen Handtuch ab. Mit einem Wattebausch verteilte sie etwas Rouge auf ihren Wangen. Sie richtete ihre blonden, weichen Haare, bündelte sie in einem strengen Knoten und band sie dann doch wieder mit einem Lederband zusammen, war einigermaßen damit zufrieden und vertauschte ihre schmutzige Hose mit dem ledernen Reitrock.
    »Hannah! Was soll denn der Unsinn?«
    Sag jetzt nichts Falsches, ermahnte sie sich, du machst dich nur lächerlich. Freu dich lieber, dass er gekommen ist. Sie beschloss, gar nichts zu sagen, zwang sich, die Treppe betont langsam hinabzusteigen und erst zur Haustür zu gehen, als sie sich wieder völlig in der Gewalt hatte. Mit angehaltenem Atem trat sie auf die Veranda. Frank kniete auf dem Boden und tätschelte Captain, der anscheinend Gefallen an ihm gefunden hatte und seine Hand ableckte. »Ich hab gehört, dass dein Onkel verschwunden ist«, sagte er scheinbar unbeeindruckt von ihrem veränderten Aussehen. Nur ein leichtes Funkeln in seinen Augen verriet, dass er es bemerkt hatte. »Tut mir leid. Ich hoffe, er ist noch am Leben. Hat er dir diesen Prachtkerl hinterlassen?«
    »Er heißt Captain.« Sie beugte sich ebenfalls zu dem Husky hinab und war mit ihrem Gesicht plötzlich dicht vor Franks Gesicht, blickte ihm tief in die braunen Augen und war sofort wieder verzaubert von dem lebendigen Funkeln, das sie jedes Mal, wenn sie mit ihm zusammen gewesen war, fasziniert hatte.
    Ohne es eigentlich zu wollen, näherte sie sich ihm erneut, ihr Mund berührte den seinen, und ihrer beider Lippen verschmolzen zu einem zärtlichen Kuss.
    »Frank, ich …«, sagte sie, als sie sich erhoben.
    »Hannah …«, begann er gleichzeitig. Er lächelte. »Zuerst du …«
    »Es … tut mir leid, Frank. Ich wollte nicht …« Es lag ihr nicht besonders, sich zu entschuldigen. »Aber versetzt hast du mich, das musst du zugeben!«
    »Es war alles ganz anders …«
    »Den Satz kenne ich!«
    »Aber es war wirklich anders«, sagte Frank, »und ich hätte zur Not ein paar hundert Leute, die das bezeugen könnten. Die blonde Dame, die du gesehen hast, war die Tochter des Bürgermeisters, und was du nicht sehen konntest: Sie hatte ein Brautkleid an. Ein Brautkleid, Hannah! Sie hatte am selben Morgen geheiratet und wollte zur Feier des Tages unbedingt eine Runde in einem Flugzeug drehen. Und weil ihr meine rote Jenny so gut gefiel, musste ich ran. Der Bürgermeister höchstpersönlich forderte mich auf, sie auf eine Spritztour mitzunehmen. Sollte ich vielleicht sagen, tut mir leid, Herr Bürgermeister, aber ich muss erst meine Freundin zum Hafen bringen? Suchen Sie sich bitte einen anderen Piloten?« Er zog eine zusammengefaltete Zeitung aus seiner Hosentasche und reichte sie ihr. »Sieh selbst … Seite sieben, oben!«
    Sie öffnete die Zeitung, sah das Foto mit Frank und der blonden Dame im Brautkleid und die Schlagzeile »Tochter des Bürgermeisters geht in die Luft«, aber nur flüchtig. Ihr Blick wurde von einem anderen Foto angezogen, das ebenfalls eine junge Frau im Brautkleid zeigte, diesmal an der Seite ihres stattlichen Ehemanns. Darunter stand: »John Meredith Walker III ., Sohn des Verlegers gleichen Namens und Chefredakteur mehrerer Pulp- und Comic-Magazine, heiratete gestern seine Schreibkraft, die bisher in gehobenen Kreisen unbekannte Clara Schulz. Die deutschstämmige Schönheit soll sogar einen eigenen Part in einem seiner Magazine bekommen. John Meredith Walker III . und seine Braut zogen noch am Hochzeitstag in ihr neues Haus

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