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Im Land des weiten Himmels

Im Land des weiten Himmels

Titel: Im Land des weiten Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Wolfe
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hatte.
    »Entschuldigen Sie, wenn ich frage, Ma’am«, erklang neben ihr die Stimme eines Mannes, »aber ich habe Sie noch nie hier gesehen. Sind Sie zufällig die junge Dame aus New York, die in das Haus des Dutchman gezogen ist?«
    Sie blickte nach rechts und sah einen jungen Mann mit Schirmmütze und Ärmelschonern. Erst jetzt merkte sie, dass sie vor dem Schaufenster einer Bank stand. »Hannah Stocker … Woher wissen Sie das?«
    »Das war nicht schwer zu erraten, Ma’am.« Der Angestellte wirkte schüchtern. »Es hat sich schon herumgesprochen, dass der Dutchman verschollen ist und seine Nichte das Haus übernommen hat. Sie wollen ein Roadhouse eröffnen?«
    Hannah blickte ihn erstaunt an. »Das wissen Sie auch schon? Anscheinend funktioniert die Gerüchteküche hier besser als in New York. Ein Roadhouse, ja, der Wunsch meines Onkels.«
    »Eine mutige Investition. Dann ist seine Goldmine wohl doch ertragreicher, als wir alle angenommen haben …«
    »Schön wär’s«, erwiderte sie, »aber die Goldmine wirft leider gar nichts ab.« Sie dachte an das Gold, das er ihr hinterlassen hatte und wahrscheinlich bei sich trug. »Nicht mal ein winziges Nugget habe ich gefunden.«
    Sein Lächeln verriet ihr, dass er ihr nicht glaubte. »Nun«, sagte er mit dem falschen Charme eines geübten Verkäufers, »falls Sie doch einmal über größere Beträge verfügen sollten, würde sich mein Chef jedenfalls freuen, Ihre Einlagen gewinnbringend anlegen zu dürfen.« Er zog eine Visitenkarte hervor und reichte sie ihr. »Immer zu Ihren Diensten, Miss …«
    »Stocker … Hannah Stocker«, half sie ihm auf die Sprünge. »Sagen Sie, gibt es in Ihrer Stadt ein nettes Lokal?«
    Erstaunt über den plötzlichen Themenwechsel zögerte er einen Moment. »Im Tower House gibt es das beste Essen. Sind Sie mit dem Flugzeug hier?«
    »Hat Ihnen schon mal jemand gesagt, dass Sie neugierig sind?« Sie verabschiedete sich mit einem Nicken von ihm und ging lächelnd weiter.
    Während sie an einem Eisenwarenladen vorbeiging, blickte sie zur Anlegestelle hinab und sah, dass sich Frank mit einem Schraubenschlüssel an der gelockerten Strebe zu schaffen machte. Falls er sie beobachtete, dann nur aus dem Augenwinkel. Ob ihm sein wagemutiges Manöver schon leidtat? Vielleicht hätte sie ihn nicht ganz so heftig beschimpfen sollen. Er hatte sich doch entschuldigt. Er bereute seine Tat sicher längst und überlegte, wie er sich mit ihr versöhnen konnte.
    Sie ging zwei Häuser weiter und betrat den Gemischtwarenladen eines älteren Ehepaars, das ebenfalls schon wusste, wer sie war und sie sofort darauf ansprach. »Sie sind die Lady aus New York, die das Roadhouse eröffnet …«
    »Hannah Stocker«, stellte sie sich vor, »wir haben das beste Essen und den besten Kaffee zwischen Fairbanks und dem Nordpol zu erträglichen Preisen. Wenn Sie das bitte Ihren Kunden weitererzählen würden?«
    »Natürlich«, stimmte die Frau zu, »das machen wir doch gerne, nicht wahr, Bert?« Sie blickte ihren Mann an. »Womit kann ich Ihnen dienen, Ma’am?«
    »Hannah«, verbesserte sie die Ladenbesitzerin. Sie kramte ein paar Dollar aus ihrer Tasche und legte sie auf den Tresen. »Der Ausflug nach Tanana kam vollkommen unvorbereitet für mich, und ich habe leider nicht viel Geld bei mir. Einen halben Dollar brauche ich für das Essen im Tower House. Meinen Sie, für den Rest könnte ich ein paar Eier, frische Milch und eine Tüte Mehl bekommen? Frischer Sauerteig wäre auch nicht schlecht, dann könnte ich Brot backen.«
    »Und ich dachte, Sie hätten einen Beutel Gold dabei.« Die Frau lachte. »Ich hab Sie mit Steve von der Bank reden sehen, da macht man sich gleich seine Gedanken.« Sie zählte die Münzen ab. »Ja, damit kommen wir schon hin, und wenn es ein bisschen mehr wird, geben wir Ihnen gerne Kredit.«
    Hannah atmete erleichtert auf und deutete auf ein Glas mit Zuckerstangen. »Packen Sie die bitte auch dazu!«
    »Alle?«, fragte die Ladenbesitzerin verwundert.
    Hannah dachte an die Indianerkinder. »Ja … Alle bitte. Ich möchte ein paar Kindern eine Freude machen.«
    »Wie nett von Ihnen, Hannah.« Sie legte die Zuckerstangen in eine Tüte und reichte sie ihrem Mann, der bereits dabei war, die anderen Sachen einzupacken. »Sie reden gar nicht wie eine Lady aus New York. Während des Goldrausches … Mein Gott, das ist jetzt auch schon über zwanzig Jahre her … Damals waren einige New Yorker hier. Arrogante Burschen, die glaubten, ihnen gehörte die

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