Im Licht des Blutmondes
dieser Vorschlag willkommen gewesen, aber er traute Martina nicht. Zwar hatte Nikolas, als ihr Erzeuger, ihr befohlen, dass sie Joleen in keiner Weise verletzen durfte, doch er wusste selbst, wie gerissen Vampire waren, wenn sie etwas durchsetzen wollten. Er wusste, dass Martina ihre Tochter aus tiefster Seele hasste. Zacharias konnte es in ihren Augen sehen, wann immer sie Joleen betrachtete oder an der Art wie sich ihr Mund beim Namen des Mädchens kaum merklich verzog.
All seine Einwände wurden jedoch abgeschmettert, und es wurde heute Nacht bekannt gegeben, dass Martina von nun an ebenfalls an der Erziehung der neuen Generation von Blutgefährten beteiligt war.
Zacharias wanderte weiter durch das Haus und landete schließlich im Flügel der Blutsklavinnen. Erst als er vor der Tür zu Joleens Zimmer stehen blieb, wurde er etwas ruhiger. Leise öffnete er die Tür und trat, ohne ein Geräusch zu machen, in das dunkle Zimmer. Er benötigte kein Licht, da er durch seine vampirische Sehkraft im Dunklen sehen konnte.
Nur einen Blick wollte er auf das schlafende Kind erhaschen. Zu seiner Überraschung war Joleen nicht in ihrem Bett. Stirnrunzelnd schloss er seine Augen und breitete seine Sinne aus. Er fand sie schnell, sie war im Badezimmer, das sich gleich an das Zimmer anschloss.
Als er sich zum Gehen umwenden wollte, ertönte ein leises Schluchzen aus dem Raum. Wieso weinte sie? Langsam ging er auf das Badezimmer zu und blieb vor der verschlossenen Tür stehen.
„Joleen?“, fragte er leise, und das Schluchzen verstummte augenblicklich. „Bist du da drin?“ Natürlich war die Frage überflüssig, doch er hoffte, so eine Antwort von dem Mädchen zu erhalten.
„Zach?“, drang Joleens leise Stimme durch die Tür und dann war es wieder still.
„Ja. Mach die Tür auf!“, forderte er und konnte hören, wie sich Joleen im Badezimmer bewegte und sich der Tür näherte. Seit sie bei ihnen war, hatte sie nicht einmal widersprochen und alle ihr zugewiesenen Aufgaben sofort, und ohne zu murren, ausgeführt.
Die Tür öffnete sich einen Spalt und ein schmaler Streifen Licht erhellte Joleens Schlafzimmer. Ihre grünen Augen waren gerötet und sie sah ihn an.
„Willst du nicht mehr feiern?“, fragte sie und Zacharias fiel auf, dass ihre Stimme heiser war. Wie lange sie wohl in diesem Badezimmer gesessen und still vor sich hingeweint hatte?
„Es ist nur halb so lustig, wie es sich anhört“, erklärte Zacharias. „Wieso hast du geweint?“
Joleen zögerte und senkte ihren Blick. Als er bemerkte, dass sie nicht vorhatte, auf seine Frage zu antworten, seufzte er.
„Joleen? Sag mir, wieso du geweint hast!“, hakte er nach.
Nun seufzte auch Joleen, trat jedoch beiseite und öffnete die Tür ganz. Sie zeigte auf ihre blonden Locken, die wirr von ihrem Kopf abstanden. Zacharias benötigte einen Augenblick, ehe er erkannte, wieso. Einige Haarsträhnen hatten sich in einen feinen, rosafarbenen Knubbel verfangen.
„Jemand hat Kaugummi auf mein Kopfkissen gelegt, und ich habe es nicht gesehen“, erklärte sie leise. „Jetzt kleben meine Haare fest und ich bekomme sie nicht mehr da raus.“
„Warst du deswegen im Badezimmer? Weil du den Kaugummi daraus entfernen wolltest?“, fragte er in einem Tonfall, der es nicht gestattete, nicht auf seine Frage zu antworten. Joleen nickte, wagte es aber immer noch nicht, ihn anzusehen. „Wieso bist du nicht zu Angela gegangen?“
„Ich wollte sie nicht stören“, erklärte Joleen leise. „Sie hat ganz lange mit uns gespielt und uns sogar einen Film gucken lassen. Sie war bestimmt müde von der vielen Arbeit, die sie mit uns hatte.“
„Aber genau für solche Fälle ist sie doch heute Abend bei euch“, erklärte Zacharias kopfschüttelnd. „Du hättest es ihr auf jeden Fall sagen müssen!“
„Entschuldigung“, murmelte Joleen betroffen. Er sah, dass ihr wieder Tränen über die Wangen liefen. Zacharias unterdrückte ein Lächeln. Er spürte, wie seine Gesichtszüge sanfter wurden.
„Weißt du, wer das war?“, wollte er wissen. Joleen schüttelte ihren Kopf und sah sie ihm direkt in die Augen. Sie hatte keine Ahnung. Schade, denn Zacharias hätte diejenigen gern zur Rechenschaft gezogen.
„Na komm“, sagte er und schob sie in das Badezimmer. „Schauen wir mal, was wir gegen den Kaugummi machen können.“
***
J OLEEN
Joleen saß still auf den Toilettensitz, während sie Zachs kalte Finger auf ihrer Kopfhaut spüren konnte. Ihre Tränen waren
Weitere Kostenlose Bücher