Im Licht des Mondes: Roman (German Edition)
menschliche Natur.
Deshalb brauchte er eine Strategie, dachte er und betrachtete den Salon der kürzlich renovierten leeren Suite, dessen Wände blassgrün, durchzogen mit Silberfäden, tapeziert und dessen Holzverkleidungen aus Eiche abgeschliffen worden waren und nun ihren natürlichen blassgoldenen Ton hatten. Nachdenklich schlenderte er durch das Schlafzimmer in das neue Bad. Ein ehemaliges zweites Schlafzimmer war ihm geopfert worden, um es zu vergrößern und die Wandschränke einbauen zu können. Die Ausstattung musste noch installiert werden, aber er hatte selber die komfortable Badewanne, die Duschkabine und die Einbauschränke ausgesucht.
Er hatte sich für hauptsächlich warme Farben entschieden und mit poliertem Granit und Kupfer gearbeitet. Er hatte Luxus sozusagen antiquarisch verpackt.
Ein Hauch von Tradition, Komfort und Effizienz.
Es war genau das, was zu Mia passen würde, grübelte er. Geschäft, sicherer Profit und exquisiter Service.
Er musste lächeln, als er zu seinem Handy griff. Aber er steckte es schnell wieder in seine Tasche. Ein persönlicher Anruf war nicht das Richtige, um ein Geschäftstreffen zu vereinbaren.
Er ging in sein Büro, um seine Assistentin zu bitten, Miss Devlin anzurufen.
Er verwirrte sie. Der Junge, den sie glaubte, so gut zu kennen, war ein Mann geworden, und zwar einer mit vielen Überraschungen. Ein Geschäftsessen? Mia war nachdenklich, als sie den Hörer auflegte. Wann immer es ihr recht wäre. Sie betrachtete nachdenklich den Hörer. Und er hatte wirklich so geklungen, als ob es ihm ernst damit wäre – sehr distanziert, sehr professionell.
Ein Geschäftsdinner im Hotel, um einen Vorschlag zu diskutieren, der für sie beide von Vorteil sein könnte.
Aber was hatte der Mann noch in seinem Ärmel stecken? Reine Neugier war der Grund für ihre Zusage, obgleich sie wenigstens noch so klug war, nicht gleich für denselben Abend zuzusagen. Sie hatte großzügig ihren Terminplan umgestellt, um am nächsten Abend Zeit zu haben.
Es könnte nicht schaden, wenn sie wüsste, ob es irgendetwas gäbe, worauf sie sich vorbereiten sollte. Sie drehte sich um und nahm die Kristallkugel vom Regal, stellte sie in die Mitte von ihrem Schreibtisch.
Sie umschloss sie mit ihren Händen, konzentrierte sich,
sammelte ihre Kraft. Das Glas erwärmte sich, wurde dunstig, schimmerte in einem Licht, das aus dem Inneren der Kugel zu kommen schien.
Visionen trieben verschwommen vor ihren Augen in der Kugel.
Sie sah sich selbst, als sie – jung, so jung – nackt in der Höhle lag, in Sams Armen.
»Nicht gestern«, murmelte sie, »sondern morgen. Befreie die Zukunft von der Vergangenheit, damit ich sehe, was geschehe.«
Ihre Gärten, sommersatt, unter einem hellen, weißen Mond. Während sie in die Kugel schaute, füllte sich die Luft in ihrem Büro mit dem Vanilleduft von Heliotrop, dem Geruch von Lavendel. Sie trug Weiß, ein Widerschein davon echote im Mond.
Er stand bei ihr, in diesem Blumenmeer, und hielt ihr seine Hand entgegen. Seine Augen waren so klar, hatten diese wunderschöne Farbe – wie das Meer im Sonnenlicht. Auf seinem Handteller lag eine leuchtende Scheibe, vielfarbig, die pulsierte.
Er lächelte, als er sie hoch in die Luft warf und ein Schauer von Licht und Farben über ihren Köpfen explodierte. Als er auf sie niederregnete, fühlte sie die Erregung und die unglaubliche Freude, die die Frau in der Kugel empfand.
Sie erfüllte ihr eigenes Herz wie ein Gesang.
Dann gab es einen Blitz, und sie stand allein auf den Klippen in einem heulenden Sturm. Blitze umzuckten sie wie brennende Pfeile. Ihre Insel war mit einem übel riechenden Nebel überdeckt. Seine Kälte reichte bis in ihr ruhiges Büro und fuhr ihr in die Knochen.
Aus der Dunkelheit sprang der schwarze Wolf. Seine
Fänge schnappten nach ihrer Kehle, während sie gemeinsam in die tosende See stürzten.
»Genug.« Sie legte eine Hand über die Kugel, und sie war nichts weiter als ein schöner Glasball.
Sie stellte sie zurück und setzte sich. Ihre Hände zitterten nicht, ihr Atem ging ruhig. Sie hatte immer gewusst, dass ihr ein Blick in die Zukunft den eigenen Tod zeigen könnte. Oder schlimmer, den Tod eines geliebten Menschen.
Das war der Preis der Macht. Die Kunst verlangte zwar kein Blut, aber trotzdem gab es Zeiten, in denen sie das Herz verletzte.
Also, dachte sie, was würde es für sie sein? Liebe oder Tod? Oder, entschiede sie sich für Ersteres, könnte sie Letzteres
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