Im Licht des Mondes: Roman (German Edition)
ein Überbleibsel von damals ist oder ob es meine heutigen Gefühle oder die all der Jahre dazwischen sind. Sollte ich das nicht herausfinden?«
»Weil du du bist, musst du das. Aber ich wünsche mir dringend, dass du ihn vorher in den Arsch trittst.«
Mia legte sich eine Kette aus gehämmertem Gold um den Hals, an der einige Perlen befestigt waren, die auf ihren Busen herabfielen. »Wenn dieses Kleid kein Arschtritt ist, wüsste ich nicht, was es sonst sein sollte.«
Lulu spitzte ihren Mund, drehte den Kopf zur Seite. »Vielleicht bist du doch nicht ganz so dumm, wie ich dachte.«
»Ich habe schließlich eine gute Ausbilderin gehabt.« Mia malte sich die Lippen feuerrot an, schüttelte ihre wilde Haarmähne und drehte sich Lulu zu. »Also, wie sehe ich aus?«
»Wie ein männermordendes Weib.«
»Perfekt.«
Auch ihren Auftritt hatte Mia perfekt gewählt. Präzise
um sieben Uhr betrat sie die Lobby des Magick Inn. Der junge Mann am Hotelschalter glotzte sie an und ließ das Blatt Papier, das er in seiner Hand hielt, fallen. Zufrieden schenkte sie ihm ein tödliches Lächeln und rauschte in den großen Speisesaal des Hotels, Zauberhöhle genannt.
Einen Moment lang war sie erstaunt, als sie die Veränderungen in dem Raum wahrnahm. Sam war fleißig gewesen, stellte sie fest und fühlte unwillentlich einen gewissen Stolz. Die weißen Standardtischdecken waren von einem satten Mitternachtsblau abgelöst worden, das schön mit dem mondgelben Geschirr kontrastierte. Die alten durchsichtigen Glasvasen waren durch Messing- und Kupfertöpfe ersetzt worden, in denen zarte weiße Lilien standen. Die Kristallgläser sahen antik, fast mittelalterlich aus.
Auf jedem Tisch stand ein kleiner Kupferkessel, durch dessen sternen- und mondförmige Einschnitte Kerzenlicht schimmerte.
Zum ersten Mal, jedenfalls solange sie zurückdenken konnte, schien der Raum seinen Namen zu verdienen. Beeindruckt und zustimmend trat sie ein. Und bekam einen kleinen, aber heftigen Schlag.
An der Wand gegenüber hing ein lebensgroßes Gemälde von drei Frauen. Die drei Schwestern blickten vor einem Wald und dem nächtlichen Himmel auf sie herab aus einem antiken, goldverzierten Rahmen. Sie waren weiß gekleidet, und die Falten ihrer Kleider, die Locken ihrer Haare schienen sich in einem unsichtbaren Wind zu bewegen.
Sie sah Nells blaue Augen, Ripleys grüne. Und ihr eigenes Gesicht.
»Gefällt es dir?«, fragte Sam hinter ihr.
Sie schluckte, damit sie klar sprechen konnte. »Es ist erstaunlich.«
»Ich habe es vor fast einem Jahr in Auftrag gegeben. Es ist heute gekommen.«
»Es ist eine sehr schöne Arbeit. Die Modelle…«
»Es gab keine Modelle. Der Künstler hat sich nach meinen Beschreibungen gerichtet. Nach meinen Träumen.«
»Ich verstehe.« Sie wandte sich ihm zu. »Er oder sie ist sehr talentiert.«
»Sie. Eine junge Malerin, die in Soho lebt und sich auf Hexenkunst spezialisiert hat. Ich denke, sie hat es geschafft …« Er verstummte, als sein Blick vom Porträt auf Mia fiel. Jeder einzelne Gedanke in seinem Kopf kristallisierte sich zu reiner, archaischer Begierde. »Du siehst atemberaubend aus.«
»Danke.« Zufrieden mit dem glasigen Ausdruck in seinen Augen, drehte sie sich um und wies auf den Raum. »Deine Änderungen im Restaurant gefallen mir sehr gut.«
»Es ist immerhin ein Anfang.« Er wollte schon ihren Arm nehmen, ließ es aber bleiben, als er feststellte, dass er feuchte Hände bekommen hatte. »Ich werde neue Beleuchtung anbringen. Etwas Laternenartiges aus Messing. Und ich möchte – nun, warum setzen wir uns nicht, bevor ich dich mit meinen Plänen langweile?«
»Im Gegenteil.« Aber sie ließ sich von ihm in eine intime Nische führen, wo, wie sie feststellte, bereits eine Flasche Champagner kalt gestellt war.
Sie setzte sich, lächelte und schälte sich mit einer lässigen Bewegung aus ihrem Jackett. Sie beobachtete, wie sich sein Blick verschleierte, aber zu seiner Ehrenrettung musste sie zugeben, dass er sich – primär – auf ihr Gesicht konzentrierte. »Warm hier drinnen«, sagte sie und bedachte den Kellner, der ihnen Champagner einschenkte, mit einem schmelzenden Lächeln. »Worauf stoßen wir an?«
Sam setzte sich, nahm sein Glas in die Hand. »Eine Frage, bevor wir dazu kommen: Hast du vor, mich umzubringen?«
»Nein, nur, dir einen Tritt zu verpassen.«
»Das ist dir gelungen. Ich glaube nicht, dass ich bei einer anderen Frau jemals feuchte Hände gekriegt habe. Wir warten besser
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