Im Licht des Mondes: Roman (German Edition)
zerschlagen.«
»Es gab noch eine Letzte.« Mias Stimme war klar, ihr Blick gerade. »Eine Letzte, die ihn aufrechterhielt.«
Intelligenz, Stolz und Leidenschaft. War es ein Wunder, dass sie ihn aufwühlte?, dachte Sam. Sie war das Feuer.
»Hoffnungslosigkeit kann auch die Stärkste zermürben.« Nell legte ihre Hand auf Mias. »Aber sogar allein, mit gebrochenem Herzen, webte sie ein schützendes Netz. Das dreihundert Jahre überdauert hat.«
»Was uns in die heutige Zeit führt.« Mac beugte sich über seinen Kaffee. »Ein immer noch ungebrochener Kreis.«
»Du machst dir Sorgen, dass ich versage, wenn meine Zeit gekommen ist. Nell hat ihren Dämonen ins Gesicht gesehen, und Ripley den ihren.« Mit einer scheinbar lässigen
Geste streichelte Mia Mulder mit ihrem seitlichen Fuß. »Von uns Dreien weiß ich am meisten über die Kunst und praktiziere sie am längsten.«
»Das stimmt. Aber …«
Sie sah Mac fragend an. »Aber?«
»Ich frage mich, ob das, womit du es zu tun bekommst, nicht, nun, sagen wir, heimtückischer ist. Nell hatte es mit Evan Remington zu tun, einem Mann.«
»Er war ein Stück Scheiße«, korrigierte ihn Ripley.
»Was auch immer er war, er war ein menschliches Wesen. Sie musste den Mut aufbringen, ihm entgegenzutreten, ihn zu vertreiben und ihre Gabe anzunehmen. Ich will damit nicht sagen, dass auch nur etwas davon ein Strandspaziergang war, aber es war ziemlich handfest. Wenn ihr mir folgen könnt.«
»Ein Mann mit einem Messer.« Sam ergriff das erste Mal das Wort, seit Mac begonnen hatte, und zog die Aufmerksamkeit auf sich. »Ein Verhaltensgestörter, Psychopath, wie immer man diese Form von Bösartigkeit bezeichnet, im Wald, im Mondschein. Nein, kein Strandspaziergang. Es war viel Mut vonnöten, tiefes Vertrauen und eine außerordentliche Macht, um das zu vollbringen, was Nell getan hat. Aber es war eine Bösartigkeit, die sichtbar für sie war.«
»Genau.« Mac strahlte Sam an, als wäre er ein Student, dem er gerade eine Auszeichnung überreichte. »In Ripleys Fall …«
»In Ripleys Fall«, wiederholte Ripley, »hatte ich die Macht, die ich abgelehnt hatte zu akzeptieren, und ihre Begrenzungen, obgleich ein Teil von mir diese überschreiten wollte.«
»Ein emotionaler Aufruhr«, sagte Sam. »So etwas kann die Abstimmung der Macht genauso beeinflussen wie deine
Stimme oder deine Handlungen. Die Gabe bewahrt uns nicht davor, Fehler zu machen. Mit …«
Er brach ab, sah Mac an.
»Nein, mach weiter«, bedeutete ihm dieser. »Es ist nützlich, es mit den Augen eines anderen zu betrachten.«
»In Ordnung. Die Kraft, die vor mehreren Jahrhunderten entfesselt wurde, benutzte Remington als Vermittler und fuhr in einen Reporter, der Nells Fluchtroute zu den Drei Schwestern folgte.«
»Du bist auf dem Laufenden«, stellte Mia ruhig fest.
»Ja. Ich habe mich auf dem Laufenden gehalten. Standzuhalten, Macht gegen Macht, ohne die Grenze zu überschreiten, ist nicht einfach. Dazu gehört Überzeugung, Geduld und Stärke. Trotzdem, am Ende stand Ripley – wie Nell – einem Mann gegenüber. Was auch immer in ihm war, er war aus Fleisch und Blut.«
»Es sieht so aus, als umkreisten Sam und ich dieselbe Theorie.«
»Warum zum Teufel brecht ihr nicht durch und kommt zum Wesentlichen, statt immer weiter zu kreisen«, beschwerte sich Ripley.
»Okay.« Weil Sam ihm ein Zeichen gab, fortzufahren, übernahm Mac wieder. »Was Mia heute begegnet ist, war nicht aus Fleisch und Blut – kein Lebewesen, sondern eine Erscheinung. Das sagen mir verschiedene Dinge. Vielleicht, nur vielleicht, weil der Kreis noch intakt ist, weil er es schon zweimal besiegt hat, hat sich seine Macht verringert. Es kann nicht in Besitz nehmen, sondern kann nur vortäuschen.«
»Oder es sammelt seine Stärke. Wartet auf die richtige Zeit, auf den richtigen Ort.«
»Ja.« Mac nickte Sam zu. »Wartet auf die richtigen Umstände.
Es bleibt nicht mehr viel Zeit – gemessen an dreihundert Jahren – auf beiden Seiten. Es bedrängt weiter, versucht weiter, den Kreis zu schwächen, ganz speziell dich, Mia. Unterminiert das Fundament deiner Macht. Es benutzt deine Ängste, Zweifel, jede kleinste Schwäche, die durch die Ritze dringt. Es wird dich quälen, wie es vor dreihundert Jahren sie gequält hat. Die ihm zum Opfer fiel wegen ihrer Einsamkeit und ihres Verlustes, ihrer Verzweiflung bei dem Gedanken an alle, die sie geliebt und die sie am meisten gebraucht hatte.«
»Ich bin mir dessen bewusst«,
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