Im Licht des Mondes: Roman (German Edition)
vermeiden?
Sie würde es sehen. Sie hatte viel gelernt in ihren dreißig Jahren als Hexe, dachte Mia, als sie sich wieder ihrem Computer zuwandte und weiterarbeitete. Eins wusste sie bereits jetzt. Man tat, was man tun konnte, um zu schützen und zu respektieren – und man nahm dafür die Freuden und die Leiden in Kauf. Und letztendlich akzeptierte man sein Schicksal.
»Hast du nicht gesagt, es wäre kein Rendezvous?«
Mia schloss ihren Ohrring. »Es ist keins. Es ist ein Geschäftsessen.«
Lulu schnaubte. Laut. »Wenn es ein Geschäftsessen ist, warum trägst du dann dieses Kleid?«
Mia griff nach ihrem zweiten Ohrring und schaukelte ihn einen Moment hin und her. »Weil ich dieses Kleid mag.«
Sie wusste, dass es ein Fehler war, sich im Büro umzuziehen statt zu Hause. Aber es sparte Zeit und Energie. Außerdem
war nichts verkehrt mit ihrem knappen – sehr knappen – schwarzen Kleid.
»Frauen, die solche Kleider tragen, wollen, dass sich Männer über das, was darunter verborgen ist, Gedanken machen.«
Mia lächelte und klapperte mit den Wimpern. »Sag bloß.«
»Und veralbere mich nicht. Ich kann dir immer noch einen ordentlichen Klaps geben, wenn du einen verdient hast.«
»Lu, ich bin keine zehn mehr.«
»Wenn du mich fragst, verhältst du dich jetzt weniger vernünftig als mit zehn.«
Ein langer gequälter Seufzer würde nicht helfen. Zu betonen, dass sie nicht gefragt hatte, würde nur zu Streit führen. Da es unmöglich war, die missmutige Person, die mit ihr in dem kleinen Badezimmer stand, zu ignorieren, versuchte Mia es mit einer anderen Wendung.
Sie drehte sich um, lächelte strahlend. »Ich habe meine Hausaufgaben gemacht und mein Zimmer aufgeräumt. Bitte, darf ich jetzt rausgehen und spielen?«
Lulus Mund wollte sich schon zu einem Lächeln verziehen, aber sie schaffte es gerade noch, ihn zu einem strengen, geraden Strich zusammenzuziehen. »Musste dich niemals ermahnen, dein Zimmer aufzuräumen. Ich musste mich eher sorgen, dass du so verdammt reinlich warst für ein Kind.«
»Und du musst mich auch wegen heute nicht ermahnen, weil ich weiß, wie ich Sam Logan zu behandeln habe.«
»Du denkst, dich in dieses Kleid zu zwängen und die Hälfte deiner großen Dinger zu zeigen ist die richtige Behandlung für ihn?«
Mia schaute an sich hinunter. Ihr Dekolleté war genau
richtig, ausgesprochen elegant. Auch mit ihren Beinen, von denen man ein beträchtliches Stück zu sehen bekam, war sie sehr zufrieden. »O ja, ganz bestimmt.«
»Trägst du Unterwäsche?«
»Oh, Lu, ich bitte dich.« Mia griff nach ihrem schwarzen Jackett,
»Ich habe dich etwas gefragt.«
Um Geduld bemüht, zog Mia ihr Jackett an. Sein Saum grenzte fast an das Ende des Kleides, sodass aus dem sexy kleinen Schwarzen ein sexy schwarzer Anzug wurde. »Ich finde, dass das eine seltsame Frage ist für ein früheres Hippie-Mädchen. Du hast wahrscheinlich von neunzehnhundertdreiundsechzig bis neunzehnhundertzweiundsiebzig nicht einmal Unterwäsche besessen.«
»Doch. Ich hatte zwei sehr hübsche Batik-Unterhosen für besondere Gelegenheiten.«
Überwältigt von der Vorstellung, bekam Mia einen Lachkrampf. »Oh, Lu. Welche besonderen Gelegenheiten erforderten denn Batik-Unterhosen?«
»Wechsle bitte nicht das Thema, und beantworte meine Frage.«
»Nun, ich besitze zwar nichts derartig Festliches, aber ich trage Unterwäsche – modische. Wenn ich also in einen Unfall verwickelt werde, kann mir nichts passieren.«
»Ich mache mir keine Sorgen wegen eines Unfalls. Ich sorge mich über etwas ganz anderes.«
Mia straffte sich, beugte sich hinunter zu Lulu und umfasste ihr vertrautes Gesicht mit beiden Händen. Sie musste sich schließlich nicht um Geduld bemühen, wurde ihr klar. Sie musste sich nur an die Liebe erinnern.
»Du brauchst dir überhaupt keine Sorgen zu machen. Ich verspreche es.«
»Ist schließlich meine Aufgabe, mich zu sorgen«, murmelte Lulu.
»Dann genehmige dir eine Pause. Ich werde ein wunderbares Essen bekommen, herausfinden, an welches gemeinsame Geschäft Sam gedacht hat, und ganz nebenbei genießen, ihn verrückt zu machen.«
»Du hast immer noch was für ihn übrig.«
»Ich hatte nie was für ihn übrig. Ich habe ihn geliebt.«
Lulus Schultern sanken zusammen. »O meine Süße.« Sie hob ihre Hand und verwuschelte Mias Haar. »Ich wünschte, er wäre in diesem gottverdammten New York geblieben.«
»Nun, ist er nicht. Ich weiß nicht, ob das, was ich jetzt empfinde, einfach
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