Im Licht des Vergessens: Roman (German Edition)
standen und uns die Parade ansahen? Im ersten Frühjahr nach Reuben.«
»Ja, ich weiß.«
»Alles war so hell und laut und ausgelassen. Alle waren so glücklich. Sogar Bess hat sich das ein oder andere Lächeln abgerungen.«
Wahrscheinlich nur eine Magenverstimmung, dachte Phoebe verbittert. »Damals glaubte ich, dass sich alles wieder einrenkt. Dass er nicht ausbricht und uns suchen kommt, um uns im Schlaf umzubringen. An Weihnachten war das noch ganz anders, und an meinem ersten Geburtstag danach auch. Aber als ich damals vor Jahren hier stand, glaubte ich, dass vielleicht doch noch alles gut wird.«
»Und das wurde es dann ja auch.«
Sie legte ihre Hand auf seine, sodass beide ineinander verschränkt auf dem Geländer ruhten.
2
Frisch geduscht und mit einem ziemlichen Kater saß Duncan an seiner Küchentheke und brütete bei einer Tasse schwarzem Kaffee über seinem Laptop. Eigentlich hatte er nicht so viel trinken wollen, hatte nur noch ein bisschen quatschen wollen im Slam Dunc’s, bevor er noch auf den ein oder anderen Song und ein, zwei Bier ins Swifty’s, seinen Irish Pub, verschwand. Als Barbesitzer empfiehlt es sich, nüchtern zu bleiben, so viel hatte er bereits gelernt. Aber am St. Patrick’s Day oder an Silvester konnte es schon vorkommen, dass er diese Regel nicht so genau nahm. Er wusste durchaus, wie man mit ein, zwei Bier durch die Nacht kam.
Aber es war nicht der festliche Trubel gewesen, der ihn ein paarmal zu oft nach der Bierflasche hatte greifen lassen, sondern pure Erleichterung. Joe war am Leben, und darauf wollte er trinken. Er musste dringend an die frische Luft und einen Spaziergang machen. Oder ein Schläfchen in der Hängematte. Danach würde er weitersehen. Das tat er allerdings schon sieben lange Jahre. Und es gefiel ihm.
Er saß noch kurz stirnrunzelnd über dem Laptop und schüttelte dann den Kopf. Wenn er jetzt arbeitete, oder auch nur so tat, als ob, würde sein Kopf explodieren.
Stattdessen nahm er seinen Kaffee und ging auf die hintere Veranda. Die Carolinatauben gurrten und wackelten mit dem Kopf, während sie unter dem Vogelhäuschen auf dem Boden herumpickten. Zu fett und zu faul, um hochzufliegen, dachte Duncan. Stattdessen gaben sie sich lieber mit den Resten zufrieden.
Viele Menschen verhielten sich genauso.
Sein Garten war gut gepflegt, alles blühte und gedieh, und er war stolz darauf. Er könnte ein wenig spazieren gehen und zum Bootssteg laufen. Er könnte auch eine Runde segeln gehen und über den Fluss kreuzen. Im Grunde war es ein idealer Tag dafür, einer von diesen Vormittagen mit knallblauem Himmel und einer frischen Brise, wie man sie sich im Juli so oft vergeblich wünscht. Er könnte auch einfach nur zum Bootssteg gehen, auf die Salzwiesen hinausschauen und dem tanzenden Sonnenlicht zusehen. Er könnte seinen Kaffee mitnehmen und einfach nichts tun an diesem herrlichen Frühlingsmorgen. Eine fantastische Idee.
Was Joe wohl gerade tat? Saß er in einer Zelle? In einer Gummizelle? Und was tat die Rothaarige? Es hatte keinen Sinn, so zu tun, als sei heute ein ganz normaler Tag, wo ihm der gestrige einfach nicht mehr aus dem Kopf ging. Warum sollte er sich vormachen, dass er gern auf dem Bootssteg sitzen und seinen Kater auskurieren würde, so, als sei alles in bester Ordnung?
Also ging er die Treppe zu seinem Schlafzimmer hoch, zog eine saubere Hose und ein Hemd aus dem Schrank, das nicht so aussah, als ob er darin geschlafen hätte. Dann holte er seinen Geldbeutel, seine Schlüssel und all den anderen Kram aus den Taschen seiner Jeans, in der er tatsächlich geschlafen hatte, nachdem er halb betrunken ins Bett gefallen war. Zumindest war er so schlau gewesen, ein Taxi zu nehmen, erinnerte er sich, während er sich mit den Fingern durch sein verstrubbeltes braunes Haar fuhr.
Vielleicht sollte er lieber einen Anzug anziehen? Vielleicht mochte die Rothaarige ja Anzüge, und da er sie unbedingt ausfindig machen wollte … Zum Teufel damit!
Er eilte die großzügig gewundene Haupttreppe hinunter und lief über die auf Hochglanz polierten weißen Fliesen im Foyer. Als er eine der Doppelflügeltüren öffnete, sah er einen kleinen roten Jaguar um die letzte Kurve seiner Auffahrt sausen.
Der Mann, der umständlich aus dem Wagen kletterte, war tadellos gekleidet. Phineas T. Hector schaffte es sogar noch nach einem Ringkampf im Schlamm, wie aus dem Ei gepellt auszusehen.
Duncan steckte die Daumen in die Hosentaschen und betrachtete Phin, wie er auf
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