Im Licht des Vergessens: Roman (German Edition)
ihm fest in die Augen. »Wollen Sie ihr so zeigen, dass es Ihnen leidtut? Indem Sie sie zwingen, Sie zu begraben und um Sie zu trauern? Wollen Sie sie bestrafen?«
»Nein!« Seinem Gesicht und seiner Stimme nach zu urteilen, entsetzte ihn diese Vorstellung. »Das ist alles meine Schuld. Alles nur meine Schuld.«
»Ich glaube nicht, dass Menschen an allem selbst schuld sind. Suchen wir lieber nach einem Ausweg. Suchen wir nach einer Möglichkeit, wie Sie das Ganze wiedergutmachen können.«
»Phoebe, ich habe beinahe fünftausend Dollar Spielschulden.«
»Fünftausend sind ziemlich viel, kann einem ganz schön Angst einjagen. Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie es ist, Geldprobleme zu haben. Wollen Sie etwa, dass Lori für Ihre Schulden aufkommen muss?«
»Nein. Wenn ich tot bin, muss niemand mehr zahlen.«
»Ach ja? Aber sie ist Ihre Frau. Sie ist mit Ihnen verheiratet.« Phoebe wusste nicht genau, wie sich die Sache juristisch verhielt, aber es war eine Chance. »Es kann gut sein, dass sie Ihre Schulden übernehmen muss.«
»Ach du Scheiße.«
»Ich glaub, ich weiß, wie wir das Problem lösen können, Joe. Joe? Ich weiß, dass Ihr Chef in der Wohnung ist. Und zwar, weil er sich Sorgen um Sie macht.«
»Der ist in Ordnung. Dunc ist ein netter Kerl. Ich hab ihn belogen und betrogen. Ich kann’s ihm nicht verübeln, dass er mich gefeuert hat.«
»Ich verstehe, und ich sehe auch, dass Sie sich für Ihre Fehler verantwortlich fühlen. Sie sind ein verantwortungsbewusster Mensch, und Sie wollen diese Fehler wiedergutmachen. Dunc ist ein netter Kerl, sagen Sie. Insofern bin ich mir ziemlich sicher, dass er Verständnis haben wird. Ich rede mit ihm, wenn Sie das wollen. Ich bin gut im Reden. Wenn er Ihnen genügend Zeit gibt, das Geld zurückzuzahlen, wäre Ihnen doch schon mal sehr geholfen, oder?«
»Ich … äh … ich weiß nicht.«
»Ich werd mit ihm reden.«
»Er ist ein netter Kerl. Und ich habe ihn bestohlen.«
»Sie waren verzweifelt, hatten Angst und haben einen Fehler gemacht. Ich spüre, dass es Ihnen leidtut.«
»Es tut mir auch leid.«
»Ich red mit ihm«, wiederholte sie. »Sie müssen mir nur die Waffe geben und vom Dach kommen. Sie wollen doch Lori nicht wehtun.«
»Nein, das nicht, aber …«
»Wenn Lori jetzt hier wäre, was würden Sie ihr sagen?«
»Ich – wahrscheinlich, dass ich auch nicht weiß, wie es so weit kommen konnte, und dass es mir leidtut. Dass ich sie liebe. Und dass ich sie nicht verlieren will.«
»Wenn Sie sie nicht verlieren wollen, wenn Sie sie lieben, dann geben Sie mir die Waffe und kommen vom Dach. Denn sonst lassen Sie sie mit ihrer Trauer und der Schande allein.«
»Es ist nicht ihre Schuld.«
Phoebe erhob sich vom Dachvorsprung und streckte eine Hand aus. »Sie haben recht, Joe, Sie haben vollkommen recht. Und jetzt zeigen Sie’s ihr.«
Er sah die Waffe, sah, wie Phoebe langsam danach griff. Sie war ganz schlüpfrig von seinem Schweiß, als sie sie sicherte und in ihren Gürtel steckte. »Kommen Sie vom Dach, Joe.«
»Und was dann?«
»Kommen Sie vom Dach, und ich erklär es Ihnen. Ich werde Sie nicht belügen.« Wieder streckte sie ihm ihre Hand entgegen. Eigentlich durfte sie das nicht, und das wusste sie auch. Verhandler können von einem Selbstmörder leicht mit in die Tiefe gerissen werden. Aber sie sah ihm dabei fest in die Augen und umschloss seine Hand.
Nachdem er sich vom Dachvorsprung entfernt hatte, ließ er sich einfach zu Boden fallen und schluchzte erneut. Sie blieb bei ihm, legte den Arm um ihn und schüttelte heftig den Kopf, als sie sah, dass Polizisten zur Tür geeilt waren.
»Alles wird gut. Joe, Sie müssen die Polizisten begleiten. Sie müssen sich erkennungsdienstlich behandeln lassen. Aber alles wird gut.«
»Es tut mir leid.«
»Ich weiß. Und jetzt kommen Sie bitte mit. Bitte.« Sie half ihm auf und stützte ihn, während sie zur Tür gingen. »Aber erst ziehen Sie sich etwas an. Keine Handschellen«, zischte sie. »Joe, einer der Officer wird Ihnen ein Hemd, eine Hose und Schuhe holen. In Ordnung?« Als er nickte, gab sie einem der anwesenden Officer ein Zeichen.
»Muss ich ins Gefängnis?«
»Für kurze Zeit. Aber wir fangen sofort damit an, Ihre Probleme zu lösen.«
»Werden Sie Lori anrufen? Wenn sie kommen könnte, dann … dann könnte ich ihr zeigen, dass es mir leidtut.«
»Aber natürlich. Ich möchte, dass der Sonnenbrand behandelt wird, außerdem muss er jede Menge trinken.«
Joe schlug die Augen nieder
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