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Im Licht von Apfelbäumen | Roman

Im Licht von Apfelbäumen | Roman

Titel: Im Licht von Apfelbäumen | Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Coplin
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Caroline Middey. Dem Mann aus Malaga. Vielleicht auch einem Fremden im Wirtshaus in der Stadt. Doch nach den Ereignissen in Chelan war er zu solcher unverkrampften Kameradschaft nicht mehr fähig. Er war immer ein wenig rastlos und zerstreut. Angelene glaubte, dass er das Maultier manchmal zu den Marsdens lenkte, um sich zu beweisen, dass er in freundlicher Gesellschaft noch immer guter Dinge sein, sich entspannen und so sein konnte wie früher. Aber das konnte er nicht. Die Dinge hatten sich verändert.
    Sie fragte ihn nicht nach seiner Zeit im Gefängnis. Brachte es nicht fertig, ein Gespräch zu beginnen, von dem sie wusste, dass es ihm zuwider wäre.
    Oft machte er sich nach dem Abendessen noch allein auf den Weg. Selbst im Winter. Er stieg dann zum oberen Obstgarten hinauf und blieb stundenlang fort. Angelene wusste nicht, wo er hinging. Wenn sie später (dies war im folgenden Frühjahr) ihren Obstgarten, ihre Beete betrachtete, wusste sie, dass sie nicht angetastet worden waren – er hielt Wort und ließ die Hände von jenem Stück Land, das sie für Angelene abgeteilt hatten –, doch ihr war so, als wäre es in Augenschein genommen worden. Einmal sagte er nach dem Abendessen, er habe irgendwo gehört, wenn man eine Woche vor der Knospenbildung Kalkdünger über ein Erdbeerbeet streue, würden die Früchte größer und kräftiger. Angelene dankte ihm und sagte, sie würde darüber nachdenken.
    Oft saß sie auf der Veranda und wartete, bis er wieder im Canyoneingang auftauchte. Unglaublich langsam kam er dann über das untere Feld auf die Hütte zu, so langsam, dass es manchmal schien, als nehme der Abstand zwischen ihnen wieder zu. Als würde er ewig die Mitte des Feldes erreichen, ewig weitergehen, aber nie ankommen. Sein helles Hemd leuchtete in der Dämmerung.
     
    Talmadge wollte nach der Apfelernte einige Teile der Plantage abholzen. Ohne die regelmäßige Hilfe der Männer sei es vor allem zur Erntezeit zu schwierig für sie, all die Arbeit zu schaffen. Vielleicht würden sie noch eine Zeit lang damit fertig werden, doch das bisherige Niveau aufrechtzuerhalten, sei unrealistisch, umso mehr, als sein Gesundheitszustand sich zusehends verschlechtere – darüber sprach er nicht gern, aber es wurde immer offensichtlicher. Wir könnten uns doch Unterstützung holen, sagte Angelene; wir könnten Arbeiter einstellen, Leute aus der Stadt, die uns helfen. Er verzog das Gesicht, als verursachte der Gedanke, um Hilfe zu bitten, einen schlechten Geschmack in seinem Mund. Aber das sei doch allemal besser, sagte sie, als vollkommen gesunde Bäume abzuholzen. Ihr Verstand stockte vor Schmerz, wenn sie sich vor Augen führte, was er da tun wollte, ganz konkret. Sie konnte sich nicht vorstellen, in dem Umfang, wie er es vorschlug, Bäume zu fällen.
    Eines Morgens im November, bevor sie aufgestanden war, begann er mit den Apfelbäumen im oberen Obstgarten. Eine Woche zuvor hatte es geschneit, doch nun lag nur noch eine dünne Puderschicht auf dem Boden. Vielleicht konnte er nicht bis zum Frühling warten, weil er dachte, bis dahin würde er es sich womöglich anders überlegt haben oder der Anblick der blühenden Bäume ihn daran hindern, sein Vorhaben durchzuführen.
    Er bat Angelene nicht um Hilfe, doch an jenem Morgen holte sie sich ein Paar Arbeitshandschuhe aus dem Schuppen und ging zu ihm. Er hieb die Bäume nahe der Wurzel ab, band ein Seil um den Stamm und zog sie mithilfe des Maultiers bis zur Mitte des Feldes auf einen großen Haufen. Er wollte sie verbrennen. Widerwillig sagte Angelene, das sei wohl die beste Lösung, dabei hatte er sie gar nicht nach ihrer Meinung gefragt. Sie half ihm schweigend. Nach einer guten Stunde ging sie in die Hütte und machte Kaffee und etwas zu essen. Sie rief ihn von der Veranda aus, doch er arbeitete weiter. Angelene setzte sich drinnen an den Tisch und aß. Sie hätte auf die Veranda gehen können, aber sie wollte nicht sehen, was er dort unten auf dem Feld tat.
     
    In der darauffolgenden Woche hatte Talmadge eine Verabredung mit dem Großhändler in Wenatchee. Zwei Tage vorher, als er und Angelene nach dem Abendessen im Schein einer Lampe saßen und den Schlaf abzuwehren versuchten – sie waren beide erschöpft, nachdem sie den ganzen Tag lang Bäume gefällt, sie aufs Feld gezerrt und auf den Haufen geworfen hatten –, sagte Talmadge, er würde es nicht schaffen, zu dem Treffen zu gehen. Eine kleine Pause entstand, bevor er hinzufügte, dass er auf der Plantage

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