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Im Licht von Apfelbäumen | Roman

Im Licht von Apfelbäumen | Roman

Titel: Im Licht von Apfelbäumen | Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Coplin
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beiden wieder begannen, ihr Obst auf dem Markt anzubieten, begegneten sie ihnen mit Vorsicht. Sie hielten keinen Plausch mehr mit ihnen wie früher, und wenn sie lächelten, lag eine Spur von Angst darin oder auch von Aufregung, als wären sie kurz davor, offen zu fragen, was dort am Strand vorgefallen sei.
Habt ihr sie mal besucht? Habt ihr etwas von ihr gehört? Wo ist Jane begraben? Weiß das Mädchen
(gemeint war Angelene),
wer ihr Vater ist?
Andere hielten sich gänzlich von ihrem Stand fern, so als hätten Talmadge und Angelene etwas falsch gemacht. Und das hatten sie wohl, dachte Angelene, doch dass die Leute einen persönlichen Groll gegen sie hegten, verwunderte sie.
    Talmadge sah jetzt durch die Menschen hindurch. Er äußerte sich nicht zu der Menge Obst, die er und Angelene verkauften und die annähernd normal war, denn einerseits gab es die Leute, die früher bei ihnen gekauft hatten und nun wegblieben, andererseits aber neue Kunden, die zu ihnen kamen, um hinterher davon erzählen zu können; um anderen einen Nickel zu zeigen, den Talmadge ihnen als Wechselgeld zurückgegeben hatte –
Den hat er berührt
 –, ihn in einem Schmuckkästchen aufzubewahren und später ihren Kindern zu vererben. Am schlimmsten waren jene Damen, die entschlossen mit einem Auflauf oder einem Kuchen an ihren Stand marschiert kamen und ihnen ohne Umschweife ihr Beileid aussprachen oder etwas vom Herrgott und von ihrer und Dellas Seele sagten. Talmadge und Angelene wussten nicht, was sie mit diesen Speisen machen sollten. Sie zu essen, brachten sie nicht fertig. Also nahmen sie sie mit nach Hause, wo sie in der Speisekammer oder in einer Ecke der Arbeitsplatte herumstanden, bis sie verdarben. Schließlich warfen sie sie auf den Komposthaufen hinter dem Außenklo.
    Es war wundervoll, wenn sie mit jemandem in Kontakt kamen, der sich benahm, als wäre nichts passiert oder als hätte er im ganzen letzten Jahr keine Zeitung gelesen. Angelene konnte nicht einschätzen, wie wahrscheinlich es war, dass die Leute zu dem Zeitpunkt nichts über ihr und Talmadges Privatleben wussten, aber vielleicht hatten manche ihrer Bekannten ja einfach irgendwann aufgehört, all die Dinge zu lesen, die sie nach eigenem Dafürhalten nichts angingen. Einer von ihnen war der Mann vom Malaga-Pflanzenmarkt, jener Obstbauer, der auch Gewehre herstellte und den Talmadge seit vielen Jahren kannte. Nach dem Pflanzenmarkt Ende Juli lud er Talmadge und Angelene in sein Haus südlich von Wenatchee ein. Sie saßen bei ihm auf der Veranda und tranken Limonade, und danach zeigte er ihnen die Werkstatt, wo er an den Gewehren arbeitete. In seiner Gegenwart schien Talmadge sich zu entspannen, und der Gesichtsausdruck des Mannes blieb die ganze Zeit neutral, keine Spur von Nervosität oder Mitleid darin. War es möglich, dass er nicht wusste, was ihnen passiert war? Einmal allerdings, während Talmadge redete, sah Angelene zu ihm hin und begegnete seinem Blick, der beinahe wütend wirkte. Doch es war keine Wut. Er versuchte nur, das Mitleid nicht durchscheinen zu lassen. Beide sahen weg. Dieser gesamte Austausch fand binnen Sekunden statt.
    Und natürlich besuchten Talmadge und Angelene regelmäßig Caroline Middey, wenn sie in der Stadt waren, und schauten auch manchmal bei den Marsdens vorbei. Ohne Vorankündigung trieb Talmadge, wenn sie in nördlicher Richtung stadtauswärts auf die Gebirgsausläufer zufuhren, das Maultier dann über das Feld auf die weiter unten liegende Straße, die zum Grundstück der Marsdens führte. Die langen Gespräche zwischen den beiden Männern im Arbeitszimmer waren Vergangenheit; nun saßen sie alle vier – Talmadge, Angelene, der Richter und seine Schwester Meredith – im Esszimmer, wo die Gardinen zur Seite geschoben worden waren, um den Blick auf den Fluss freizugeben, und aßen Torte und tranken Kaffee. Die Unterhaltung war seicht, sie drehte sich meist ums Wetter und um die Plantage. Es gab unbehagliche Momente, wenn offenkundig wurde, dass einer von ihnen an Della dachte oder an ein Detail der Geschehnisse vom Vorjahr, doch niemand sprach je etwas davon laut aus. Es war peinlich genug, wenn Angelene es jedes Mal wieder kaum glauben konnte, dass Talmadge das Maultier auf die untere Straße lenkte; als könnte er es aus irgendeinem Grund nicht lassen.
    Er war immer gern mit Menschen umgegangen, dachte Angelene; konnte stundenlang bei einer Tasse Kaffee mit jemandem zusammensitzen, dessen Gesellschaft er genoss. Mit Clee.

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