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Im Licht von Apfelbäumen | Roman

Im Licht von Apfelbäumen | Roman

Titel: Im Licht von Apfelbäumen | Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Coplin
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Art hoch, wie Clee es ihr gezeigt hatte; versuchte das Pferd – seine Energie, seine Absicht – über den Raum, der sie trennte, hinweg zu fühlen.
    Doch an diesem Tag kam sie nicht an das Pferd heran. Ein paar Mal näherte sie sich ihm bis auf wenige Zoll, doch dann erschrak entweder sie oder das Pferd, was in erstaunliche Gewalt ausuferte: Das Pferd ging mit gesenktem Kopf auf sie los oder wirbelte abrupt herum und trat nach ihr aus. Geh aus dem Weg!, rief der Cowboy. Doch Clee gebot ihm Einhalt, ohne den Blick von Della zu wenden: Für Worte war jetzt kein Raum. Das Mädchen würde lernen müssen, allein mit Gefahren umzugehen, ohne Hilfe.
    Schließlich wurde der Wallach wieder eingefangen und zur Herde der anderen gelassen, und die Handvoll Männer, die gekommen waren, um zuzuschauen, zogen sich in ihr Lager zurück und widmeten sich ihrem Essen.
    Am nächsten Tag ließ Della nicht locker: Noch einmal. Und wieder wurde der Wallach eingefangen, wieder näherte sie sich ihm mit ausgestreckten Armen.
    Sie näherte sich, wich zurück, näherte sich erneut. Wich zurück. Ein Mann, dann noch einer, die aus den Obstgärten aufgetaucht waren, zogen wieder ab.
    Ein paar, die glaubten, sie könne es schaffen, blieben da. Dann zog wieder einer ab. Es dämmerte.
    Talmadge ging den Hang hinunter.
    Als er begriff, was sie sich da alle anschauten, war es zu spät, sie zum Aufhören zu bewegen. Und er hatte gewusst – wie konnte er es auch ignorieren? –, dass es so kommen würde. Es war genau das, was sie wollte. Angst und eine Art von Ekel stiegen ihm in die Kehle, als er beobachtete, wie sie sich dem Biest näherte.
    Doch dann stürmte sie das Pferd – anders konnte man es nicht nennen –, packte es am Widerrist und schraubte ihren Körper auf seinen Rücken. Einen Moment lang sah sie überrascht aus; dann grinste sie. Die Männer wurden munter, johlten und klatschten; manche von denen, die schon weggegangen waren, kamen im Laufschritt zurück. Sie lag jetzt fast waagerecht auf dem Rücken des Pferdes, die Arme fast ganz um seinen Hals geschlungen. Sie grinste noch immer. Und dann buckelte das Pferd – dieses schreckliche Muskelkräuseln, als es den Kopf senkte –, und anstatt abgeworfen zu werden, rutschte Della einfach vornüber auf den Boden. Sprang schnell weg.
    Talmadge war verblüfft, denn das war offenbar nicht nur Glück, sondern auch Können. Er bewunderte die Geschwindigkeit, mit der sie aufgesessen hatte – im Nu, fast schneller, als man gucken konnte, war sie oben gewesen –, und als sie den Blick über die Menge schweifen ließ und ihn entdeckte, hob er den Arm. Winkte ihr zu. Aber war er nicht böse? Er ließ den Arm fallen. Beglückwünschte er sie?
    Doch sie schaute nur kurz zu ihm; er war sich nicht einmal sicher, ob sie ihn gesehen hatte. Sie lachte und weinte. Die Männer hatten sie auf die Schultern genommen.
    Clee und Talmadge standen beieinander und beobachteten sie aus einigem Abstand. Talmadge sagte nicht: Macht das nicht noch einmal, denn er wusste, dass es dafür zu spät war. Er war zu müde, um auch nur einen von ihnen, Clee oder das Mädchen, zurechtzuweisen. Schließlich sagte er: Genug für heute Abend, und stapfte, ohne Clee anzuschauen, den Hang hinauf.
    An diesem Abend aß Della bei den Männern.
     
    Lass sie etwas haben, das sie glücklich macht: Das war damals der Refrain in Talmadges Kopf. Obwohl er auch oft dachte, dass es ein Fehler sei, sie zu belohnen. Ihre Arbeit – auf der Plantage und im Haushalt – war schlampig. Manchmal hinterließ sie ein Chaos auf dem Küchentisch, wenn sie sich etwas zu essen gemacht hatte, oder sie beschädigte beim Pflücken die Ableger, dabei hatte er ihr immer wieder mit äußerster Geduld gezeigt, wie man es richtig machte. Sie lief wochenlang in denselben Kleidern herum. Ihre Haare waren voller Kletten. Nachdem er sie sich hatte kratzen sehen, war er ziemlich sicher, dass sie vom Schlafen in der Scheune Läuse hatte. Er sollte sie in Ruhe lassen, dachte er, ihr nicht zusetzen. Aber half er ihr damit, dass er ihr die Rücksichtslosigkeit, die Liederlichkeit durchgehen ließ? Kurz gesagt: Er war sich seiner Rolle in ihrem Leben nicht sicher. Er war sich nicht sicher, ob er das Recht hatte, ihr Vorschriften zu machen. Oder wenn, in welchem Ton: sanft, als wäre es nur ein Vorschlag, oder bestimmt, wie eine Forderung.
    In seiner Unschlüssigkeit war er wenig souverän und sah ihr letztlich vieles nach, um sie dann wegen Kleinigkeiten

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