Im Mond des Raben
dankbar sein wird.«
Als hätte Barr etwas damit zu tun, dass sie vom Himmel gefallen war und sich in seinen Clan eingeschlichen hatte! Männer! Trotzdem gefiel ihr Nialls Darstellung besser als Wirps.
»Sie ist ein Aasfresser, der es nicht wert ist, als Chrechte bezeichnet zu werden.«
»Sie ist eine Éan, ein magisches und machtvolles Wesen mit Chrechte-Gaben, die ein Wolf nie kennen wird.«
»Du weißt mehr über mein Volk als dein Bruder«, konnte Sabrine nicht umhin zu sagen.
»Ich habe mir die Geschichten genauer angehört als er, als wir noch Kinder waren. Und ich glaubte sie. Irgendwo dort draußen sind auch Chrechte, die ihre Natur mit den großen Katzen teilen.«
Sabrine kannte die Geschichten, auf die Niall sich bezog. Alte Überlieferungen sprachen davon, dass es in uralten Zeiten, bevor die Chrechten sich in Höhlen niederließen und noch auf der Erde umherstreiften wie die Tierherden, noch mehr Arten von Gestaltwandlern gab und sie alle zusammenlebten und sich Führern wie dem Éan’schen Dreierrat unterwarfen. Doch diese Geschichten waren so alt, dass Sabrine sie nie wirklich geglaubt hatte.
Die Tatsache, dass sie für Barr eine ebenso unerwartete Legende war, ließ sie den Wahrheitsgehalt dieser uralten Geschichten jedoch noch einmal überdenken.
Doch das waren Gedanken für einen anderen Tag.
»Du hegst also keine Abneigung gegen die Éan?«, fragte sie Niall, weil sie sich ganz sicher sein musste.
»Ich bin ein Chrechte«, erwiderte er, als wäre damit alles gesagt.
»Das ist dieser hasserfüllte alte Bock dort auch«, entgegnete sie und deutete mit dem Kopf in Wirps Richtung.
Niall tat den alten Mann mit einem weiteren wolfsähnlichen Knurren ab. »Chrechten achten alles Leben. Wir haben gelernt, welch hohen Preis es erfordert, es nicht zu tun.«
»Einige der Faol sicherlich«, räumte sie ein. »Doch andere hassen die Éan noch immer wegen ihres Andersseins.«
»Ich glaube, dass es eher Neid ist.«
»Neid? Ich soll neidisch sein auf diese Abscheulichkeit? « Wirp spie das letzte Wort buchstäblich aus, wobei sein Speichel in alle Richtungen flog.
Niall erstarrte und blickte auf den Alten herab. »Nenn sie nie wieder so!«, sagte er gefährlich ruhig und unterstrich jedes Wort mit einem Schütteln des Mannes, der noch immer wie ein Sack in seinen Händen baumelte. »Nie wieder!«
»Für sie ist kein Platz in unserem Clan.«
Darin mochte Sabrine ihm vielleicht sogar zustimmen, doch sie würde es diesem Scheusal gegenüber niemals zugeben. »Das hast nicht du zu entscheiden.«
»Da irrst du dich. Ich werde meinen Clan vor deiner Spezies beschützen, was immer es auch erfordern mag.« Pure Mordlust brannte in Wirps vom Alter verblassten Augen.
Sabrine ließ ihn auch in ihrem Blick den Tod sehen. »Du kannst es gern versuchen, alter Mann. Aber du wirst feststellen, dass ich nicht so leicht zu töten bin wie andere.«
Er wurde nicht nur dunkelrot vor Wut über ihre Herausforderung, sondern verlor auch die Kontrolle, und zum ersten Mal, seit sie ihn kannte, durchdrang der Geruch seines Wolfes die Luft um sie herum. Zum zweiten Mal in einer Stunde wurde Sabrine von Erinnerungen überwältigt, diesmal von der schmerzlichsten, die sie bisher hatte ertragen müssen.
»Du!« Blitzschnell riss sie den Dolch aus Nialls Gürtel. »Lass ihn fallen, damit der Mörder meiner Eltern sich mir stellen kann!«
Niall blickte schockiert auf sie herab. »Die Frauen unter den Éan sind wirklich ganz schön anders.«
Ohne etwas zu erwidern, nahm Sabrine, die in ihrer Wut alles wie durch einen roten Nebel sah, eine Angriffshaltung ein.
»Was zum Teufel geht hier vor?« Barrs Frage zerriss die Luft wie ein Donnerschlag.
»Ich glaube, deine Gefährtin will diesen alten Mann töten. Was übrigens nur fair wäre, wenn du meine Meinung hören willst. Der Kerl war nämlich fest entschlossen, sie umzubringen, als ich hier ankam.«
Sabrine sah Barr an, und die Qual in ihren Augen, die zuvor darin gelegen hatte, war einem neuen alten Schmerz gewichen. »Er hat meine Eltern ermordet.«
»Bist du sicher?«
Sie blickte sich nach dem alten Faol um, der sie wieder hasserfüllt anstarrte. »Ja.«
»Ohne jeden Zweifel?«
»Ich habe seinen Geruch an ihren Körpern wahrgenommen. Ich werde ihn nie vergessen, Barr. Dieser Mörder muss ihn die ganze Zeit kaschiert haben, sonst hätte ich ihn schon viel früher bemerkt.«
Barr wandte sich an Wirp. »Du wirst des Mordes beschuldigt. Was sagst du dazu?«
»Es ist
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