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Im Mond des Raben

Im Mond des Raben

Titel: Im Mond des Raben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Monroe
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Stunden vergingen. Sie war nicht überrascht, als sie weder zum Essen noch zum Rasten anhielten. Barr drängte sie nur, einen der beiden Äpfel zu essen, die er aus der Satteltasche nahm, während er sein Pferd weiter vorantrieb.
    Wahrscheinlich würden sie heute so weit wie möglich reiten.
    Irgendwann jedoch hielt Barr in der Nähe eines kleinen, klaren Sees, der von einem von Norden kommenden Fluss gespeist wurde. Sabrine streckte sich, um ihre von dem langen Ritt ganz steifen Glieder zu lockern.
    »Hier werden wir die Nacht verbringen«, sagte er.
    »Aber es wird noch Stunden dauern, bis es dunkel wird«, protestierte sie, da die Sommertage in dieser Zeit am längsten waren.
    »Dieser Ort ist leichter zu verteidigen«, erwiderte Barr und zeigte auf den Eingang einer nicht weit entfernten kleinen Höhle.
    »Du glaubst, wir werden verfolgt?«
    »Mein Wolf sagt Ja.«
    Sabrine nickte, weil sie seinem Wolfsinstinkt vertraute. Er war einer der Gründe, warum die Faol so gefährliche Feinde darstellten.
    »Warum also die heiligen Quellen?«, fragte Barr, als sie sich auf zwei flachen Steinen gegenübersaßen und eine weitere kalte Mahlzeit teilten. Sabrine hätte lieber neben ihm gesessen, doch er war wieder unzugänglicher geworden.
    Weil sie seine Frage nicht gleich zu verstehen schien, hakte er nach: »Warum bringst du den Stein nicht direkt zu deinen Leuten? Wenn ihr euch für eure Chrechte-Rituale zu den heiligen Quellen begebt, geht ihr jedes Mal das Risiko ein, entdeckt zu werden.«
    »Wir reisen in Gestalt von Vögeln. Trotz Muins hartnäckigem Festhalten an den Lehren seines Großvaters schießen nämlich nur wenige wie selbstverständlich Vögel ab. Vor allem die unter den Clans im hohen Norden.«
    »Trotzdem ist es ein Risiko.«
    »Ja. Aber da die Höhlen von uralter Chrechte-Macht erfüllt sind, lohnt es sich, ein paar Tagesreisen dorthin zu unternehmen.«
    »Habt ihr keine solchen Höhlen in eurem Teil des Waldes?«, fragte er.
    »Keine, die schon so viele Tausend Chrechte-Zeremonien und Bindungs-Rituale gesehen haben und deshalb von der Macht durchdrungen sind.« Ihre Großmutter behauptete, kein anderer Ort käme ihren Leuten beim Vollzug der geheiligten Riten so zunutze.
    »Die alten Chrechten waren immer sehr wichtig für die Éan, nicht?«
    »Ja.« Obwohl ihre Anzahl sich unter den Angriffen ihrer Chrechte-Brüder verringerte, waren es ihre alten Bräuche, die den Éan Kraft zum Weitermachen gaben.
    Barr aß eine Weile schweigend und wollte dann wissen: »Wie geht es weiter, wenn du den Stein in die Höhlen zurückgebracht hast?«
    »Ich werde zu meinen Leuten zurückkehren und ihnen sagen, dass ich bei meiner Suche erfolgreich war.«
    »Wir gehen zusammen zu den Éan.«
    »Ja.« Ein Teil von ihr freute sich sogar darauf, Barr ihrer Großmutter vorzustellen, obwohl sie sich auch Sorgen darüber machte, wie die anderen seiner Wolfsnatur wegen auf ihn reagieren würden.
    »Anya-Gra sagte schon als junges Mädchen voraus, dass die Wölfe sich dem Kampf um die Rettung der Éan anschließen würden.« Ihre Großmutter hatte Sabrine von dieser Prophezeiung erzählt, als sie volljährig geworden war. »Natürlich glaubte ich ihr nicht.«
    » Daran zweifle ich nicht.« Sein Sarkasmus entging Sabrine nicht.
    Sabrine runzelte die Stirn. »Du wirfst mir meinen Zynismus vor? Wie konnte ich die Wölfe als unsere Rettung sehen, wo sie doch die größten Feinde waren, die wir hatten?«
    Sie war auch nicht die einzige Éan, die an einer solchen Entwicklung zweifelte, doch das sagte sie ihrem Gefährten nicht. Wahrscheinlich war er schon von selbst darauf gekommen.
    »Euer größter Feind ist blinder Hass; es sind nicht die Wölfe selbst.«
    »Vielleicht ist es leichter, einen solchen Unterschied zu machen, wenn man nicht derjenige ist, der als Abscheulichkeit betrachtet wird«, konterte Sabrine mit einer gewissen Schärfe.
    Noch bevor sie den Satz beendet hatte, fragte sie sich jedoch, ob Barr nicht ebenso sehr den Hass der Éan gemeint hatte wie den der Wölfe, die immer noch versuchten, die Éan zu töten.
    Barr seufzte. »Zweifellos.« Dann stand er auf.
    »Wo gehst du hin?« Würde er schon wieder verschwinden?
    »Ich werde unsere Sachen in die Höhle bringen.«
    Sabrine stand auf, um ihm zu folgen. »Es war nicht meine Absicht, dich zu kränken.«
    »Ich bin nicht gekränkt.« Er nahm das Bündel vom Rücken des Pferdes und klopfte ihm den Hals.
    Das braune Fell des Tieres glänzte in der späten Abendsonne, als

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