Im Mond des Raben
der Mund seiner Gefährtin und die zarte Haut hinter ihrem Ohr unter seiner Zunge anfühlen würden.
Als sie den Blick zu ihm erhob, glänzten ihre Augen von einem Gefühl, für das er keinen Namen hatte. »Und dennoch bist du der Mann, der ihn gerettet hat.«
»Indem ich dich als Gefährtin beanspruchte.« Allein die Worte auszusprechen steigerte sein Verlangen nach ihr, bis er kaum noch an etwas anderes denken konnte.
Verica senkte den Blick und verbarg ihre ausdrucksvollen Augen vor Earc, vielleicht, weil sie versuchte, ihre eigene Erregung zu verbergen. Aber der Duft ihrer Weiblichkeit verriet sie. »Ja.«
»Die Verbindung zwischen uns ist stark.«
»Das ist sie.« Ihre Worte waren kaum mehr als ein Wispern.
»Warum verbirgst du dich also vor mir?«
»Ich habe Angst vor dir.«
Diese Antwort war schlimmer als jeder Hieb, den er je im Kampf erhalten hatte. Earc hatte in den letzten Monaten von dieser Frau geträumt und sich immer mehr in sie verliebt, bis der Schritt, sie als seine Gefährtin zu beanspruchen, ihm an diesem Morgen wie das Natürlichste der Welt erschienen war.
Und sie fürchtete ihn!
Er trat zurück, um dem Prickeln und Summen dieser erstaunlichen Verbindung zwischen ihnen zu entkommen. Denn vielleicht war sie ja nur einseitig. Oder die sonst so scharfen Sinne seines Wolfes täuschten ihn. »Was habe ich getan, um das zu verdienen?«
Sie verschränkte nervös die Hände, als eine Beklommenheit sie einhüllte, die dichter als der Morgennebel war. Und doppelt so kalt.
»Antworte!« Er wollte es von ihr hören; er war kein Ungeheuer, vor dem sie sich fürchten musste – die Frau, die er dazu ausersehen hatte, seine Kinder zu gebären.
»Weil ich dich lieben könnte«, gestand sie so leise, dass es nicht mal mehr ein Flüstern war.
Wäre er kein Wolf, hätte er ihre Antwort nicht gehört. Doch er war ein Wolf, und er hörte sie, und trotzdem ergab sie absolut keinen Sinn für ihn.
»Wieso ist das etwas Schlechtes? Sollte eine Frau ihren Gefährten denn nicht lieben?«
Vericas Kopf fuhr hoch, und ihre schönen blauen Augen sprühten Funken. »Und was ist mit dir? Wirst du mich auch lieben?«
»Es ist die Aufgabe eines Mannes, seine Frau zu schätzen.«
»Schätzen und Lieben ist nicht dasselbe.«
»Frauen machen vielleicht diesen Unterschied, aber ein Krieger tut es nicht.«
»Sabrine ist eine Kriegerin, und ich bin sicher, dass sie den Unterschied sehr wohl bemerkt.«
»Sabrine ist ein Rätsel, das Barr besser lösen sollte, bevor dieser Clan in Gefahr gerät.«
»Du glaubst, Sabrine stellt eine Gefahr für uns dar? Sie ist kein Rowland, der stets die Macht suchte.«
»Sie entstammt einem Volk, das wir alle nur für einen Mythos hielten.«
»Nicht alle«, sagte Verica, um ihn daran zu erinnern, dass auch sie ein Rabe war.
»Wie kommt es, dass dein Clan nie etwas von deiner zweiten Natur, dem Raben, erfahren hat?«
»Weil Éan von klein auf lernen, ihren wahren Duft zu übertünchen.«
»Aber die Chrechte-Natur zeigt sich doch erst, wenn ein Körper die Reise zum Erwachsenenalter beginnt.«
»Bei den Faol. Auch Raben verwandeln sich bis zu dieser Zeit nicht, doch die Fähigkeit, Emotion und Geruch zu verbergen, ist eine Gabe, mit der wir schon geboren werden.«
»Alle Raben?«, hakte Earc nach, denn nicht alle Faol besaßen diese Gabe.
»Soweit ich weiß.«
»Und diese andere Fähigkeit?«
»Offenbart sich nach unserer Volljährigkeitszeremonie.«
»Ihr habt eine Zeremonie dafür?«
»Alle Chrechte hatten sie einmal, aber die Faol hörten mit der Durchführung der ihren auf, als sie sich den Clans anschlossen.«
»Weil die Zeremonien zu sehr mit Gewalt und sexuellen Handlungen befrachtet waren.« Earc erinnerte sich an die Geschichten darüber, konnte sich jedoch nicht vorstellen, wie seine Vorfahren an dieser Art von Ritualen teilzunehmen. Schon gar nicht in dem Alter, in dem die Zeremonie einst vollzogen worden war.
»Die der Éan ist mythischer.«
Sie waren von dem Thema ihrer Furcht abgekommen, aber Earc war nicht bereit, es fallen zu lassen, nicht einmal, um die für ihn so faszinierenden Éan zu erörtern. »Du hast von mir nichts zu befürchten, Verica.«
»Ich habe alles zu befürchten.«
»Ich habe dir schon versprochen, dass ich dir nie etwas zuleide tun werde.«
»Kannst du denn auch versprechen, mir nicht das Herz zu brechen?«
»Nein.«
Sichtlich aufgewühlt von seiner Antwort, wich sie zurück und runzelte die Stirn.
»Wenn du mich liebst, wie du
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