Im Mond des Raben
Flammen aufgingen und verbrannten.
Mit wehem Herzen sah sie zu, wie Beweis um Beweis für die Niedertracht der Faol ihren Leuten gegenüber vom Feuer verschlungen wurde. Es war nichts Ungewöhnliches, dass Éan verschwanden und nie wieder gesehen wurden. Bei wie vielen, die sie gekannt hatte, ließ sich ihr Verschwinden mit der Sammlung von Federn erklären, die sie gerade mit Ehrfurcht und Respekt verbrannte?
Bei dem klickenden Geräusch von Wolfskrallen auf dem Boden blickte sie auf.
Sie war so vertieft darin gewesen, den letzten Übergangsritus für ihre Chrechte-Brüder zu vollziehen, dass sie das Herannahen ihres Gefährten nicht gespürt hatte. Die Tatsache, dass er als Wolf zu ihr kam und sie das bisher noch nie erlebt hatte, jagte ihr einen Schauer der Furcht über den Rücken, die sie nicht verdrängen konnte.
Der große helle Wolf, der auf sie zukam, hatte kluge, wache Augen – Augen, aus denen Barr sie anschaute. Seine Gestalt war jedoch die seiner Chrechte-Natur. Die der Faol. Kiefer, die einen Vogel mit einem gut platzierten Biss in der Mitte auseinanderreißen konnten. Krallen, die viel zu zarte Haut und Federn mit einer Leichtigkeit durchtrennen konnten und die Sabrine eine schon fast urzeitliche Furcht einflößten.
Nicht einmal das Wissen, dass dieser Wolf ihr neu entdeckter wahrer Seelengefährte war, konnte verhindern, dass sie zusammenzuckte und Abscheu empfand.
Ein leises Jaulen entrang sich seiner Kehle, aber er senkte weder den Kopf, noch hörte er auf, sie anzusehen.
»Dein früherer Laird war ein Éan-Jäger«, sagte Sabrine.
Kapitel Fünfzehn
B arr schüttelte den mächtigen Kopf und gab ein leises Knurren von sich.
Doch so leicht würde Sabrine ihn nicht davonkommen lassen. »Er mag zwar nicht dein Laird gewesen sein, aber er war der Rudelführer der Faol in diesem Clan. Des Clans, den du jetzt führst.«
Barrs Blick war konzentriert und der Geruch seines Wolfes stärker, als sie ihn je wahrgenommen hatte, als er näher trat.
Ein Teil von ihr, die Frau, die dazu aufgezogen worden war, ihr Volk vor allen möglichen Bedrohungen, aber besonders vor den Wölfen unter den Chrechten zu beschützen, bestürmte sie, sich von der Gefahr zu entfernen. Ihr Rabe dagegen wollte ihrem Gefährten näher sein und den Mann sehen, der sie in die Freuden der körperlichen Liebe eingeführt hatte, und deshalb war sie hin- und hergerissen zwischen ihrem Herzen und ihrem Verstand.
»Verwandle dich!« Sie hatte es fordernd sagen wollen, doch es kam mehr wie eine Bitte über ihre Lippen.
Du fürchtest meinen Wolf? , fragte Barr über ihre geistige Verbindung.
Sie schüttelte den Kopf, weil sie sich nicht mit einem Wolf auf telepathischer Ebene verständigen wollte. Verstand Barr das denn nicht? In dieser Gestalt konnte er nicht ihr Gefährte sein.
Die Luft um ihn herum begann zu flimmern, und dann stand Barr in seiner menschlichen Gestalt vor ihr. Er hatte sich dicht vor ihr aufgebaut und blickte mit grimmigem Gesichtsausdruck auf sie herab. »Du hasst meinen Wolf.«
Das konnte sie nicht bestreiten. »Die Faol waren schon immer meine Feinde.«
»Nicht alle Wölfe sind mordende Bestien wie Rowland.«
Sie senkte den Blick auf die letzte Feder in ihrer Hand, die von einem Raben stammte. »Er hat viele in ihrer Vogelgestalt getötet und noch mehr in menschlicher. Das ist nichts, was ich vergessen kann.« Niemals. Ihre Eltern hatte er nicht getötet, weil sein Geruch ein anderer gewesen war, doch er war zweifellos ein Freund oder Helfer der Mörder gewesen.
»Er hatte nichts mit mir zu tun.«
»Er war hier vor dir Laird. Du hast über einen Monat den Tisch mit ihm geteilt.«
Barrs Gesicht verdüsterte sich noch mehr, aber jetzt war es Schuldbewusstsein, was seine Augen überschattete. »Ich wusste nicht, dass er ein Mörder war.«
»Du wusstest, dass er schlecht war.«
»Schlechtigkeit findet man überall, ob unter Menschen oder Chrechten.« Er sah sie an, als erwartete er Zustimmung von ihr.
Sabrine war jedoch nicht in der Stimmung für Entgegenkommen. »Keiner ist so böse wie die Faol.«
Ein unerklärliches Schuldgefühl erfasste sie, als die Worte ihren Mund verlassen hatten. In Barrs Verärgerung mischte sich Gekränktheit.
»Und deine Leute sind so friedlich, dass Frauen zu Kriegerinnen ausgebildet werden.« Diesmal forderte sein spöttischer Tonfall sie heraus, dies abzustreiten.
»Ich wurde Kriegerin, nachdem meine Eltern ermordet worden waren von den Wölfen, die du Freunde nennen
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