Im Mond des Raben
würdest.«
»Ich habe Rowland nie als Freund betrachtet, und das weißt du nur zu gut. Niemand, den ich als Freund bezeichne, würde einen anderen Chrechten grundlos jagen.«
»Sie glauben aber, einen Grund zu haben.«
»Warum?«
»Das ist keine Frage, die du mir stellen solltest.«
»Du weißt über diese unvertretbare Fehde mehr als ich. Erzähl es mir!«
Diese Bitte konnte sie nicht ausschlagen. »Sie verachten die Raben, weil sie Aasfresser sind, oder jedenfalls habe ich das gehört. Sie töten aber auch die Adler unter uns – wer kann also schon sagen, warum sie uns wirklich ausrotten wollen?«
Barr schwieg einen Moment, als dächte er darüber nach. Überlegte so angestrengt, als glaubte er, dass sie tatsächlich eine Antwort von ihm wollte.
Obwohl die Frage nach dem Warum schon vor langer Zeit bedeutungslos geworden war.
Schließlich zuckte er die breiten Schultern und lenkte Sabrines Aufmerksamkeit damit auf seinen nackten Körper, in dem er sich so wohlzufühlen schien. Trotz ihrer Debatte und seiner Gekränktheit darüber, dass Sabrine seinen Wolf ablehnte, war sein Glied hart und schon fast völlig erigiert.
Sie zwang sich, den Blick von seiner zur Schau gestellten Männlichkeit zu lösen, doch an dem Zucken um Barrs Mundwinkel war deutlich zu erkennen, dass ihr Interesse ihm nicht entgangen war.
Unwillkürlich runzelte sie die Stirn.
Er zwinkerte ihr zu, dann wurde er wieder ernst. »Vielleicht fürchten sie euch.«
Sabrine erinnerte sich an Wirps Gesichtsausdruck bei der Hochzeit, als sie ihn das Bild des Drachen, ihres Vorfahren, hatte sehen lassen, und dachte, dass Barr womöglich recht hatte. Doch dann schob sie diesen Gedanken beiseite. »Alle Chrechten haben mehr von Menschen zu befürchten, die unserer Spezies zahlenmäßig so gewaltig überlegen sind, dass wir uns unter ihnen verbergen müssen.«
»Das ist richtig, aber die besonderen Fähigkeiten, die die Éan ihrer Chrechte-Natur wegen haben, sind etwas, das Neid auslösen könnte, und Neid wiederum kann sekundenschnell in Hass umschlagen.«
»Dann verstehst du also diese Mörder, die mit der Dezimierung unserer Leute fortfahren würden, bis keiner von uns mehr übrig ist?«
Barrs Augen verdunkelten sich, und er trat näher, bis sie die Hitze seines Körpers spüren konnte. »Das habe ich nicht gesagt. Ich habe nur spekuliert, dass der Grund ihres Hasses sehr wohl Neid oder Furcht sein könnte, ganz gleich, was sie auch sonst behaupten mögen.«
Darauf konnte sie nur nicken. Sie vermutete schon lange, dass es so war, wie Barr sagte, doch ihre Leute hatten lange zu leiden gehabt unter den Behauptungen der Faol, dass die Éan es nicht verdienten , Chrechten zu sein.
Barr legte ihr die Hände auf die Schultern. »Du darfst meinen Wolf nicht hassen. Er ist ein Teil von mir.«
Wie sicher dieser arrogante Mann sich war, dass sie ihn nicht hassen konnte! Und entgegen aller Erwartungen ihres eigenen Herzens hasste sie den Wolfs-Laird auch tatsächlich nicht. In Wahrheit war es sogar so, dass sie auf dem besten Weg war, sich unwiderruflich in ihn zu verlieben.
Ein Gefühl, das nur zu noch mehr Schmerz für sie führen konnte, und doch konnte sie es nicht einmal vor sich selbst leugnen.
»Ein Wolf und ein Rabe können sich nur in ihrer menschlichen Gestalt vereinigen, und das muss etwas zu bedeuten haben, denke ich.«
Mit der unmissverständlichen Absicht, sie festzuhalten, schlossen seine Hände sich noch fester um Sabrines Schultern. »Es bedeutet, dass wir magische Wesen in zwei verschiedenen Gestalten sind und für eine gemeinsame Zukunft als Lebensgefährten bestimmt sind.«
»Ein Wolf und ein Rabe können keine lebenslange Bindung eingehen, weil das nie gut endet.« Sie musste ihm verständlich machen, dass ihre Beziehung nicht von Dauer sein konnte. Weil es schlicht unmöglich war.
»Vielleicht trifft das auf die Vergangenheit zu, doch die Chrechten leben heute nicht mehr in Höhlen, und unbegründete Hassgefühle haben keinen Platz mehr in unserem neuen Leben innerhalb der Clans.«
»Erzähl das diesem Raben!«, sagte sie, bevor sie die letzte Feder in die Flammen warf und dann die Segensworte für den Toten sprach.
Barr stimmte in ihr Gebet mit ein, und die Luft um sie herum knisterte förmlich von Chrechte-Macht. Ein Windstoß ohne sichtbaren Ursprung fegte durch den Raum und ließ den Rauch zischend durch den Schornstein in den Himmel auffahren.
Barr erteilte dem verstorbenen Chrechten einen letzten Segen, dann
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