Im Mond des Styx - Lohmann, A: Im Mond des Styx
Brücken oder Trägern errichtet. Die Größe ließ sich schwer abschätzen, außer dass es vom bizarr gekrönten Gipfel bis hinab ins Tal reichte.
»Wie weit ist das noch entfernt?« Swetja kniff die Augen zusammen, die sich zu weigern schienen, das schmutzig rote Licht richtig festzuhalten.
»Schau mal lieber, wo’s hinzeigt!«
Mart nickte in Richtung des Tals. Kleine Lichtflecken tanzten dort, ein Stück entfernt von der Stelle, wo die schimmernde Linie in einem Haufen kantiger Schemen endete. Im ersten Moment gingen die kleinen Lichter unter im erdrückenden Glühen des Mondes, als wären es nur zufällige Spiegelungen auf Tümpeln oder glattem Stein. Doch dann sah man ein gelegentliches Flackern, ein warmes Gelb unter dem kranken Rot, das den Himmel beherrschte …
»Lagerfeuer«, stellte Tori fest.
Swetja schätzte die Zahl der Feuer ab. Die Schatten dazwischen konnte sie jetzt als Zelte ausmachen. Tarukans Truppe musste in etwa halb so stark sein wie die Reiter aus Modwinja.
Da zerrte Mart sie und Anisja dichter an den Stein heran. »Pssst«, zischte er.
»Was?«, wisperte Swetja.
»Ich hab was gehört …«
Alle vier kauerten lautlos in ihrer Deckung und lauschten. Der Wind raunte in einem Nadelgehölz, das schräg über ihnen am Hang wuchs. Swetja starrte angestrengt auf die in Rot getauchte Finsternis, und je länger sie hinsah, umso mehr schienen die Schatten selbst sich zu bewegen.
»Hab da was blitzen sehn in den Sträuchern. Wie von ’ner Klinge!« Tori verbarg ihren Haken unter dem linken Oberarm, damit der Schimmer sie nicht verriet.
»Da sind Wachen …« Mart griff nach seinem Schwert, als mit einem Mal ein heller Streifen vor seiner Kehle erschien. Wie aus dem Nichts stand eine Gestalt zwischen ihnen. Swetja und Anisja unterdrückten mit Mühe einen Aufschrei, Tori fuhr herum.
»Runter mit den Waffen«, zischte der Fremde. »Und keinen Laut!«
»Borija!«, sagte Swetja.
Der Hauptmann hielt Mart einen Säbel an den Hals. Aus den Büschen hangaufwärts hörten sie gedämpfte Laute, ein kurzes Stöhnen, einen dumpfen Aufprall, Geraschel. Tori hielt ihren Sichelhaken unschlüssig an der Seite. Borija grinste breit. Seine Zähne sahen im Mondlicht aus wie das Gebiss eines Raubtiers, das gerade seine Beute gerissen hatte.
»Keine Sorge. Das sind meine Männer, die sich um Tarukans Patrouille kümmern. Ihr vier trampelt ja dermaßen laut durch die Gegend, dass ihr am besten als Ablenkung taugt. Die Burschen hatten euch längst entdeckt und wollten sich gerade anschleichen.«
»Wie Ihr es dann getan habt«, fuhr Tori ihn wütend an.
»Wir haben euch den Hintern gerettet, Söldlinge«, sagte Borija. »Noch ein Schritt, und ihr wärt denen genau ins Schussfeld gelaufen. Ihr habt nicht mal bemerkt, dass da jemand ist, was, ihr Musterkrieger?«
»Wenn wir nichts bemerkt hätten, wär’n wir hier wohl kaum in Deckung geblieben«, antwortete Mart störrisch. »Und ich hab gleich gesagt, die zwei Hühner gehörn nicht ins Feld. Kein Wunder, dass wir mit denen auffallen.«
»Na«, sagte Borija, »ich hab eher geglaubt, es wäre ein Kerl in fetter Rüstung gewesen, den ich schon aus dreißig Schritt Entfernung durchs Buschwerk habe brechen hören. Aber vielleicht irre ich mich auch und es war ein leichtfüßiges Mädel.«
Zwei von Borijas Dragonern kamen um den Felsen herum, Gordej und Lewo. Sie hielten jeder einen blutigen Säbel in der Hand. »Sind erledigt«, meldete Gordej. »Der Hang vor uns ist frei.«
»Weiß aber nicht, wie lang’s dauert, bis die vermisst werden«, fügte Lewo hinzu.
Borija ließ die Waffe sinken. Er schaute Swetja an. »Das war sehr dumm von Euch, mir den Schlüssel zu stehlen und mit diesen beiden zweifelhaften Gesellen loszuziehen, dewa Swetjana.«
»Ich habe nur das getan, weswegen wir hergekommen sind«, verteidigte sich Swetja. »Und Ihr sitzt einfach nur herum.«
»Ich bin jedenfalls nicht hergekommen, um zwischen der Zitadelle und den Südländern in die Falle zu tappen. Hatten wir nicht oft genug darüber geredet, dass Ihr mir vertrauen müsst?«
»Ja, weil Ihr mehr wisst, als Ihr preisgebt. Soll das ein Grund sein, Euch zu vertrauen?«
Borija sah sie einfach nur schweigend an, bis Swetja beschämt den Kopf senkte. Borija hatte bisher immer recht behalten, er hatte sie gerettet, und er hatte viel gewagt bei dem Versuch, auch ihrem Vater zu helfen. Er hatte es nicht verdient, dass sie ihm immer wieder Vorhaltungen machte.
»Kehren wir um?«, fragte
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