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Im Mond des Styx - Lohmann, A: Im Mond des Styx

Im Mond des Styx - Lohmann, A: Im Mond des Styx

Titel: Im Mond des Styx - Lohmann, A: Im Mond des Styx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Lohmann
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sind sich darin einig, dass Spruchzauber Aberglaube sind«, erwiderte Swetja schnippisch. »Borija hat von einem Schauspiel gesprochen. Woher wollt Ihr wissen, dass es nicht genau das war, eine Aufführung, um dumme Südländer zu beeindrucken?«
    Sie zogen Gontas aus dem Zelt und schleiften ihn zurück auf den Platz mit dem Pfahl. Dort ließen sie ihn los, und er sank in sich zusammen. Er unterdrückte jeden Schmerzenslaut.
    Am schlimmsten schmerzte die Wunde am Bauch, die inzwischen unter einem dicken braunen Verband lag. Aber Tarukan hatte noch mehr getan, bevor er seinen Gefangenen gestern losgebunden hatte: Mit weiteren winzigen Schnitten hatte er Gontas die Kraft geraubt. Seine schmalen Klingen hatten Muskeln und Bänder in allen Gliedmaßen durchtrennt, viel feiner, als Tori es bei dem Zauberer in Kar Ombos geschafft hatte; die Verletzungen waren kaum zu sehen, dennoch war Gontas fast gelähmt – aber eben nur fast! Mühsam und unter Schmerzen konnte er sich bewegen, aber seine Arme fühlten sich so schwer an wie Blei, und die Beine trugen sein Gewicht nicht mehr.
    Er war ein Krüppel.
    Gontas wollte sterben, doch er hoffte immer noch auf eine Gelegenheit, diesen aufgeblasenen Südländer mit in den Tod zu nehmen. Nur darum war er bereit, sich von Tarukan mitschleppen zu lassen, auch wenn er nicht verstand, warum der Söldnerführer ihn weiterhin am Leben ließ.
    Einer von Tarukans Männern warf Gontas zwei Krücken vor die Füße. Gontas brauchte Hilfe, um sich aufzurichten und die Krücken unter seine Arme zu schieben.
    Es war früh am Morgen, und die Sonne war noch nicht aufgegangen. Das Lager lag dunkel und schlafend da. Nur auf dem kleinen Platz zwischen den Zelten und dem Berg herrschte eine gedämpfte Betriebsamkeit. Einige Männer bereiteten ihre Ausrüstung vor, Knechte und Boten liefen hin und her. Wenige Schritte von Gontas entfernt stand Tarukan mit seinen Offizieren.
    »Wir haben Kundschafter auf den Berg geschickt«, flehte einer der Leutnants ihn an. »Wartet doch wenigstens, bis sie Meldung erstatten, Herr!«
    Tarukan schüttelte den Kopf. »Irgendetwas geht da oben vor. Ich werde mir die Beute nicht im letzten Moment wegschnappen lassen, nur weil ich gezögert habe oder weil ich ausschlafen wollte.«
    »Aber diese Lichtblitze können alles Mögliche bedeuten, Herr«, wandte der Offizier ein. »Sie könnten auf eine Gefahr hinweisen, in die Ihr geradewegs hineinlauft!«
    »Du kannst ruhig Angst haben«, sagte Tarukan. »Du kommst ja nicht mit. Sichert einfach das Lager und seht zu, dass ihr die Kontrolle über den Berg behaltet.«
    Halime tauchte zwischen den Zelten auf, an der Seite der hässlichen Kriegerin, die für sie die Verantwortung trug. Schlaftrunken rieb sich das Mädchen die Augen. Ein Schatten folgte ihr.
    Erst auf den zweiten Blick erkannte Gontas in dem Schatten eine düstere Gestalt, einen beinahe nackten Greis mit langem, schütterem Haar. Die Haut des alten Mannes wirkte gräulich im Fackelschein, und sie war über und über mit Tätowierungen bedeckt, die aussahen wie Dornenranken. Der Alte bewegte sich halb kriechend vorwärts, mal auf allen vieren, mal richtete er sich etwas auf. Seine Gliedmaßen krümmten sich auf unnatürliche Weise wie bei einer Spinne. Fast sah es so aus, als flösse er über den Boden.
    Gontas bekam eine Gänsehaut, als er sah, wie diese Kreatur seiner Halime folgte.
    »Damit sind wir vollzählig«, sagte Tarukan. Er wandte sich an den unheimlichen Greis. »Meine Berater empfehlen mir, bis zum Sonnenaufgang zu warten. Was meinst du, Makri?«
    »Die Götter schlafen nicht bei Tag oder Nacht.« Der dürre Alte sprach zischend und war nur schwer zu verstehen. Speichel stäubte von seinen dünnen Lippen. Er grinste. »Die Tore der Zitadelle stehen offen, die Nachtjäger fliegen.«
    »Verrückter Zauberer«, murmelte der Offizier. Er fasste seinen Hauptmann eindringlich am Arm. »Tarukan, ich weiß, Ihr haltet diesen Hexer für den Harmlosesten von der Sippschaft, weil er nicht bei klarem Verstand ist. Aber Wahnsinn birgt seine eigenen Gefahren.«
    Tarukan schüttelte die Hand des Mannes ab. »Ich habe deine Einwände gehört, Szâbruk. Aber wenn alles gesagt ist, treffe ich die Entscheidung. Wir ziehen los!«
    Bei diesen letzten Worten hob er die Stimme. Ein Dutzend Söldner auf dem Platz nahmen ihre Ränzel. Die kahle Frau trat mit dem Mädchen zu Tarukan. Die übrigen Krieger bildeten dahinter eine Reihe, und sie stießen Gontas vor sich her. Der

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