Im Mond des Styx - Lohmann, A: Im Mond des Styx
musterte das blasse Mädchen mit den eigentümlich weißen Haaren, das vor ihr bis zu den Brüsten im Wasser stand. »Und dazu willst du uns … was, anheuern? Vergiss nicht, sind Söldner, der Mart und ich. Und dein Kampf ist nicht der unsere.«
»Ich dachte mir, wenn ich Euch helfe, von hier fortzukommen, wäre das schon ein Anreiz.«
» Du willst uns aus’m Lager schaffen?« Tori musterte sie abfällig.
»Oh ja.« Swetja war empört. »Ich weiß, was für ein Zelt für Euch vorgesehen ist. Anisja und ich können uns heute Nachmittag hinschleichen, wenn es leer steht und keiner darauf achtet, und eine Naht an der Rückwand auftrennen. Dann könnt Ihr Euch heute Nacht lautlos hinausschleichen, und wir warten unten am Hang mit Pferden auf Euch.«
Tori merkte auf. Der abfällige Ausdruck auf ihrem Gesicht verblasste. »Könnt Ihr unsere Waffen ins Zelt legen?«
»Wir kommen an die Waffen dran, da bin ich mir sicher. Aber wir bringen sie nicht zum Zelt. Wir bringen sie zu den Pferden. Ich will nicht, dass bei der Flucht jemand zu Schaden kommt.«
»Gut«, sagte Tori. »Geht vielleicht auch so. Aber was stellste dir dann vor, hm?«
»Ich habe es schon gesagt: Borija hat einen Schlüssel zur Zitadelle. Er spricht nicht viel darüber, aber es ist ein blauer Edelstein, so viel habe ich mitbekommen. Und Borija ist kein Mann, der sich mit Schmuck behängt. Wenn wir also einen Stein bei ihm finden, wissen wir, dass es der richtige ist.
Beim Abendessen können Nis und ich den Hauptmann ablenken und den Stein an uns bringen. Damit schleichen wir alle vier heute Nacht noch in die Zitadelle.«
Sie sah Tori an, halb flehentlich, halb lockend. »Und dann, wer weiß? Ich werde versuchen, dort die Ursache für das Unheil zu finden, das mein Volk heimsucht. Wenn ich es finde, werde ich es aufhalten. Euer Gefährte war doch ganz erpicht auf die Schätze der Zitadelle? Nun, mit dem Schlüssel kommen wir hinein, und er kann sich nehmen, was sein Herz begehrt.
Und was Euch betrifft, Ihr wollt Eurem Freund helfen? Nun, der Feind, dem er in die Hände gefallen ist, lagert gleich vor der Zitadelle. Womöglich können wir uns von dort aus in das Lager schleichen, von einer Seite, wo niemand es erwartet. Ihr hättet dann Gelegenheit, nach Eurem Kameraden zu suchen. So, wie ich das sehe, haben wir ein gemeinsames Ziel und gemeinsame Interessen, wenn ich euch helfe und wir heute Nacht zusammen aufbrechen.« Sie streckte Tori die Hand hin und lächelte. »Was meint Ihr – haben wir ein Bündnis? Oder einen … wie nennt Ihr es? … einen Kontrakt?«
27.
Mart und Tori hatten, als sie vom Steinland aus darauf zumarschiert waren, auf der Südflanke des einsamen Berges ein Bauwerk erahnt. Wenn das die Zitadelle gewesen war und Tarukan sein Lager in deren Schatten aufgeschlagen hatte, musste es dort im Tal liegen. Die beiden Söldner wollten darum herumgehen, und deshalb näherte ihr kleiner Trupp sich dem Berg in einem großen Bogen von Norden.
Sie waren den Dragonern des Hauptmanns Borija entkommen, genau wie Swetja es geplant hatte, und das Mädchen hatte sogar ihre Ausrüstung wieder besorgen und mit den Pferden bereitstellen können. Bei einer Baumgruppe am Fuß des Zitadellenberges ließen sie die Pferde zurück und gingen zu Fuß weiter. Der Styx glühte am Himmel wie ein Höllenfeuer, so aufgebläht, dass er die Landschaft unter sich zu erdrücken schien. Die rote Scheibe war weit größer als die Sonne bei Tag; nicht so hell, aber doch hell genug, dass sein Licht die nächtliche Bergwelt aus dem Dunkel riss wie eine brennende Stadt. Die eisigen Höhen im Norden glitzerten so unheilvoll wie die Hänge und Täler in ihrer Nähe.
»Wie wär’s, Muschen.« Mart sah Swetja und deren Magd an. »Gebt Ihr mir den Schlüssel und wartet bei den Pferden. Ich und Tori erledigen den Rest.«
»Den Rest?« Swetja funkelte ihn an. »Wir sind nicht zum Plündern hier, wir wollen einen Fluch aufheben. Und was versteht Ihr davon?«
Mart wischte den Einwand zur Seite. »Wir sind Söldner, wir sind dran gewöhnt, hinter feindlichen Linien rumzuschleichen. Was wir nicht hinkriegen, das kriegt ’ne verwöhnte Prinzessin mit ihrer Zofe erst recht nicht hin.«
»Wir haben Euch befreit. Für mich sah das nicht so aus, als hättet Ihr das auch allein hinbekommen.«
»Da habt Ihr’s auch mit Euren eigenen Leuten zu tun gehabt. Bei denen kommt ihr vielleicht durch mit was Wimperngeklimper. Aber wo Tarukan seine Wachen stehen hat oder was in der
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