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Im Mond des Styx - Lohmann, A: Im Mond des Styx

Im Mond des Styx - Lohmann, A: Im Mond des Styx

Titel: Im Mond des Styx - Lohmann, A: Im Mond des Styx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Lohmann
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Hausmädchen finden, das Euch zur Hand geht. Aber sprecht mit niemandem über das, was heute geschehen ist, außer mit uns.«
    Er ließ Swetja in dem winzigen Mietzimmer allein. Die betrachtete den Waschtisch, die Kommode, das Bett … Es wirkte nicht unbedingt sauber, aber sie fand auch kein Ungeziefer. Sie hoffte, dass sie nicht lange hier bleiben musste.
    Sie ließ sich auf dem Bett nieder und schluchzte. Sie konnte nicht einmal das verfluchte Mieder lockern, das ihr den Atem abschnürte!
    Gordej kam bald und brachte ein einfaches Wollkleid mit, bei dem man nicht entscheiden konnte, ob es braun sein sollte oder orange. Es wurde vorn geschnürt, und Swetja wollte lieber nicht wissen, wo der Soldat es herhatte. Es war zu weit, natürlich, aber sie tauschte es trotzdem gern gegen die Uniform ein. Sie bekam ihr Zimmermädchen, und bald fühlte sie sich wenigstens so weit wieder hergerichtet, dass sie sich zur Unterredung mit dem Hauptmann wagen konnte.
    Allerdings kam sie sich in dem Kleid vor wie eine Dienstmagd. Sie hoffte, dass ihr ärmlicher Aufzug seiner Höflichkeit keinen Abbruch tat.
    Er empfing sie in einem ruhigen Hinterzimmer des Gasthauses. Nur ein halbes Dutzend Gäste verteilten sich dort auf drei Tische, und sie alle trugen die Farben der Dragoner.
    »Hier können wir frei sprechen«, sagte Borija. »Sie sind alle eingeweiht.«
    »Worin eingeweiht?«, fragte Swetja. »Ich weiß überhaupt nicht, was eigentlich vorgeht.«
    »Aber Ihr habt etwas gesehen«, stellte Borija fest. »Oder etwas gefühlt? Gewiss seid Ihr nicht ohne Grund derart aufgelöst durch den Park geflohen.« Ein flüchtiges Lächeln zeigte sich auf seinen Lippen. »Ich gebe zu, so etwas kommt vor, wenn junge Damen den Ball von Wajdaka besuchen. Aber selten so früh am Abend.«
    Swetja schüttelte den Kopf. Zögernd berichtete sie von ihren Erlebnissen. Sie schaute den Hauptmann an, jederzeit darauf gefasst, dass er sich abwandte und sie für verrückt erklärte. Aber Borija hörte aufmerksam zu; dabei konnte Swetja doch selbst kaum glauben, was sie da erzählte.
    Nach und nach kamen die übrigen Soldaten im Raum zu ihnen an den Tisch, mit ebenso unbewegter Miene wie der Hauptmann. Als Swetja zum Ende kam, nickte Borija nur und erzählte seinen Teil der Geschichte.
    »Uns ist bereits im Winter aufgefallen, dass etwas Merkwürdiges vorgeht in der Stadt. Wir königlichen Dragoner, die hier stationiert sind, tragen die Verantwortung für den Schutz von Wajdaka und dem Palast. Vielleicht gehen wir darum ein wenig aufmerksamer durch die Straßen als die meisten.
    Einige von uns haben jedenfalls bemerkt, dass einzelne Bürger sich absonderlich verhielten. Sie hatten einen glasigen Blick und wirkten unaufmerksam oder im Gegenteil unnatürlich interessiert an Dingen, die ganz alltäglich sind. Keine Ahnung, wann die Ersten von uns darüber gesprochen haben. Das Unbehagen schlich sich langsam ein, und die meisten Fälle schienen für sich genommen bedeutungslos.
    Zudem dauerten diese Vorkommnisse niemals lange und zogen weiter wie eine Krankheit. Der Krämer von nebenan, der sich am einen Tag bewegte wie ein Schlafwandler und seine eigenen Stammkunden nicht erkannte, war am nächsten Morgen schon wieder ganz normal. Da hat es schon eine Weile gedauert, bis der eine oder andere von uns ein Muster sah.
    Dann aber fiel uns auf, dass diese Vorfälle in der Gesellschaft nach oben wanderten. Gestern mochte es der Bettler sein, der noch teilnahmsloser in der Gosse saß als sonst. Morgen war es dann der Minister, der wie ein Fremder wirkte. Zu dem Zeitpunkt, als wir sicher wussten, dass etwas vorgeht, da hatte das Übel schon den Hof erreicht.
    Diejenigen von uns, die Fragen stellten … Nun, es geschahen Dinge, die sie zum Schweigen brachten. Gute Offiziere starben oder sie verschwanden. Oder, was das Schlimmste ist, sie schienen plötzlich von demselben Übel befallen zu sein und bestraften die Untergebenen, mit denen sie gestern noch ihre Sorgen geteilt hatten, am folgenden Tag wegen ›aufwieglerischer Rede‹.
    Zuletzt traf es den Obristen unseres Korps. Ein Reitunfall, hieß es. Aber es fühlt sich so an, als würde unser Land unterwandert von einer Macht, die man weder verstehen noch greifen kann. Und wir wenigen, die es ahnen, wir zerbrechen uns seitdem den Kopf, was wir dagegen tun können.«
    »Ich weiß es auch nicht«, sagte Swetja niedergeschlagen. »Aber … irgendetwas muss man doch tun können!«
    Borija zuckte die Achseln. »Wir sind

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