Im Mond des Styx - Lohmann, A: Im Mond des Styx
Marts Burnus zurück. Ein Arm war dunkel angelaufen und geschwollen.
»Der Riesenkrabbler hat ihn nich nur mit der Schere erwischt.« Tori fuhr mit dem Finger über einen schwarz verfärbten Riss. »Der Giftschweif hat auch noch ’n Striemen gezogen.«
»Nur ’n Kratzer«, murmelte Mart. Er klang, als hätte er statt der Zunge ein Kissen im Mund. Seine Augen glänzten fiebrig.
»Halt’s Maul, oller Eber, du.« Tori strich ihm die schweißfeuchten Haare aus der Stirn. »Hättest meine Hand aufheben sollen, als ich sie verloren hab, hm? Sieht aus, als könntste die bald brauchen, bevor wir hier wegkommen.«
»Verfluchter ungeschickter Städter«, knurrte Gontas. »Sollen wir jetzt etwa hierbleiben wie auf einem Teller und uns den ganzen Tag rösten lassen?«
Tori funkelte ihn an. Gontas schnaubte und wandte sich ab. Er sah nach den Tieren.
Sie blieben auf ihrem Lagerplatz. Tori säuberte Marts Wunden, sie fütterte ihn, hielt ihn warm und zog – widerstrebend – Gontas hinzu, wenn sie Rat brauchte oder wenn sie mit einer Hand nicht weiterkam.
Nach der vorangegangenen Nacht hätte Gontas eigentlich erwartet, dass Tori den alten Söldner lieber heute als morgen los wäre. Jetzt aber, nach all dem Streit und all den Beleidigungen, eilte sie doch wieder an Marts Seite.
Gontas verstand sie nicht, Gontas verstand sie beide nicht. Im Grunde konnte es ihm auch gleich sein, wie verrückt diese Städter waren, solange es den Erfolg ihrer Suche nicht behinderte.
»Wir sollten hier nicht zu lange warten«, sagte er.
»Warum, hm?«, fragte Tori. »Dachte, du hätt’st genug zum hacheln bei.«
»Unsere Vorräte brauchen wir vielleicht, wenn wir zur Zitadelle wollen«, antwortete Gontas. »Und hier gibt es kein Wasser.«
»Die Zitadelle«, lallte Mart von seinem Lager, halb im Fieberwahn. »Ha! Wir werden Tarukan seine Schätze ausfegen!«
Tori sah ihn an. Sie schüttelte den Kopf. »Es dauert so lange, wie’s dauert. Wenn’s dir zu lang ist, du, auf ’n Kamerad zu warten, dann nimm dir eins von den Viechern und zieh allein weiter.«
Gontas sah Tori an, die seinen Blick trotzig erwiderte.
»Ich kann auch beide Packtiere nehmen«, sagte er.
»Nur zu, du«, gab Tori wütend zurück. »Wenn’s denn Sitte ist bei deinem Volk, die eigenen Kameraden zu filzen. Denn das sind unsere Tiere, alle beide! Von unsrem Gold gekauft für deine nebbichte Suche, Buschmann! Könnst schon was mehr Dankbarkeit zeigen für das alles.«
»Es ist nicht die Sitte meines Volkes, Gefährten im Stich zu lassen«, antwortete Gontas. »Das wisst ihr genau. Was ist mit der Dankbarkeit dafür ?« Wütend zog er sich auf die andere Seite des Felsens zurück.
Mart erholte sich. Nach zwei Tagen konnte er wieder reisen, auch wenn er oft rasten musste auf dem Weg. Noch länger dauerte es, bis er seinen Arm wieder gebrauchen konnte.
Die meiste Zeit marschierten sie schweigend durch die Einöde, durch glutheiße Tage und eisige Nächte. Immer wieder zog Gontas die Karte zurate, die er im weißen Turm gefunden hatte. Ihr Ziel war darauf deutlich zu sehen: Zwischen Bergen und einem großen See lag mitten im Steinland der Ort, wo sie nach den Zeichen auf dem Pergament Tarukans Lager vermuteten.
Doch diesen Ort auch in der Wirklichkeit zu finden war schwieriger als erwartet.
Gontas war erfahren in der Wildnis, und er hatte einen untrüglichen Sinn für die Orientierung. Aber es fiel ihm schwer, die Karte mit dem, was er hier draußen sah, und mit der zurückgelegten Strecke in Einklang zu bringen. Mart und Tori auf der anderen Seite verstanden die Karte gut genug, aber sie waren nicht geübt darin, sich in der Wüste zurechtzufinden. Als Söldner waren sie selten in der menschenleeren Wildnis unterwegs gewesen, und wenn nötig, hatten ihre Auftraggeber für ortskundige Führer gesorgt.
Hier war ihr Führer Gontas, der knurrend vorausging, die Karte mal so, mal andersherum hielt, sie gegen die Sonne ausrichtete und an einem Tag diese, am nächsten jene Richtung daraus ablas.
Als es Mart besser ging, schloss er öfter zu Gontas auf. Sie schauten gemeinsam auf das Pergament und stritten sich. Tori trug ihr schützendes Ledergewand unter dem Burnus, den Haken an der Hand, und sie hielt Abstand von den Männern. Dabei behielt sie die Wüste im Auge.
Gontas ertappte sie oft, wie sie in seine Richtung schaute und sich rasch abwandte, wenn ihre Blicke sich kreuzten. Und einmal ertappte Mart ihn bei diesen verstohlenen Blickwechseln.
»Glaub bloß
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