Im Namen der Engel: Die überirdischen Fälle der Bree Winston 1 (German Edition)
ungehalten. »Haben Sie sie gesehen?«
»Ja, habe ich.« Bree unterließ es, Professor Cianquino anzusehen. Hätte sie es getan, so hätte sie ihm eine entsetzliche Grimasse geschnitten. »Dass er ermordet wurde, scheint ja auch die Ansicht der jungen Frau zu sein, mit der er liiert war«, sagte Bree einlenkend.
»Diese kleine Idiotin«, stellte Liz gelassen fest. »Verdammt, vielleicht weiß ja auch sie Bescheid.« Sie schloss den Mund und starrte, offenbar nicht bereit, mehr zu sagen, auf ihre Hände.
»Und Sie wissen, dass er ermordet wurde, weil …?«, fragte Bree.
»Weil er mich heimsucht!«, brach es aus Liz heraus.
»Der Mistkerl lässt mich einfach nicht in Ruhe!«
Klar. Liz wurde von einem Gespenst heimgesucht. Nicht untypisch für Savannah, das stand fest. Wo, wenn nicht in der gespensterreichsten Stadt Amerikas ließe sich besser behaupten, dass man von einem Geist verfolgt wird? Ihr Geständnis erklärte bis zu einem gewissen Grad ihr unhöfliches Verhalten. Es erforderte mehr Selbstvertrauen, als Bree besaß, um einem völlig Fremden solch einen Unsinn aufzutischen. Kein Wunder, dass Liz aggressiv war.
Bree verkniff sich jeden Kommentar und nickte nachdenklich. »Verstehe«, sagte sie.
»Ich merke verdammt gut, dass Sie mir nicht glauben«, knurrte Liz. »Sie halten mich für verrückt.«
Das Erste, was ein angehender Rechtsanwalt auf der Universität lernt, ist, dass seine Aufgabe als gesetzlicher Vertreter sakrosankt ist. Ein Rechtsanwalt hat die Pflicht, seinen Klienten zu verteidigen und die Interessen dieses Klienten mit allen ihm zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln zu vertreten. Für Rechtsanwälte gibt es zwar nichts, was dem hippokratischen Eid vergleichbar wäre, aber Bree wusste, dass ein solcher Eid, wenn es ihn gegeben hätte, etwa folgendermaßen lauten müsste: Ich schwöre, mich mit ganzer Kraft für die Interessen und Rechte meines Klienten einzusetzen, ohne mich von persönlicher Voreingenommenheit oder von Vorurteilen irgendeiner Art lenken zu lassen.
Doch hier hatte sie eine Verrückte am Hals, das war klar. Wenn Professor Cianquino nicht im Rollstuhl gesessen hätte, hätte sie ihm irgendeinen großen Gegenstand an den Kopf geworfen. Er wollte, dass sie diesen Fall übernahm. Er hatte sie einer der einflussreichsten Frauen aus der Geschäftswelt Georgias empfohlen. Wenn Bree sich hingesetzt und eine Liste aufgestellt hätte, auf der stand, was für Klienten sie nicht haben wollte, hätte diese Irre hier sicher ganz oben rangiert.
Natürlich konnte sie nein sagen. Was beruflichen Selbstmord bedeuten würde, noch bevor ihr Schreibtisch geliefert und das Telefon angeschlossen war. Wehmütig dachte sie an ihre Büromaterialien. Zumindest die besaß sie schon mal. Deshalb sagte Bree lediglich: »Ich glaube, Sie stehen unter gewaltigem Stress. Das tut mir wirklich leid. Und wenn ich kann, würde ich Ihnen gern helfen.«
»Wenn man Cianquino Glauben schenken darf, können Sie das auch.« Liz atmete zittrig ein. »Ich halte das nicht mehr lange durch. Seit es passiert ist, kann ich nicht mehr schlafen.«
Bree betrachtete die abgekauten Fingernägel und das ungewaschene Haar der Frau, nahm vor allem aber wahr, wie verzweifelt sie wirkte. Sie tat ihr wirklich leid. Liz war am Ende ihrer Kräfte. Vielleicht konnte sie sie wenigstens überreden, zum Arzt zu gehen und sich ein Schlafmittel verschreiben zu lassen. »Ich werde auf jeden Fall versuchen, Ihnen zu helfen«, sagte Bree mit aufrichtiger Freundlichkeit. »Was erwarten Sie denn? Was soll ich tun?«
»Skinner dahin zurückschicken, wo er hergekommen ist«, erwiderte Liz Overshaw. »Aber Cianquino behauptet, das ginge nicht. Zumindest nicht im Moment. Richtig?« Sie zog fragend eine Augenbraue hoch.
»Richtig«, bestätigte Professor Cianquino.
»Ich soll ihn zurückschicken ?«, hakte Bree nach.
Professor Cianquino warf ihr einen mahnenden Blick zu, worauf Bree verstummte.
Liz spielte wieder an ihrer Uhr herum. »Wenn das nicht möglich ist, dann möchte ich, dass Sie beweisen, dass er ermordet wurde. Genau das verlangt er von mir . Finden Sie seinen Mörder. Er will Rache. Er will Gerechtigkeit. Und ganz wie zu seinen Lebzeiten wird er mir nicht von der Pelle rücken, bis ich herausfinde, wer ihn getötet hat, oder zumindest jemanden engagiere, es he rauszufinden.« Sie schloss kurz die Augen. »Ich beauftrage Sie also damit herauszufinden, wer Bennie Skinner ermor det hat.« Sie beugte sich nach unten, holte ihr
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