Im Namen der Engel: Die überirdischen Fälle der Bree Winston 1 (German Edition)
machst?«
»Keine Ahnung«, erwiderte Bree mit gefährlicher Ruhe. »Was meinst du? Was könnte ich davon haben?«
»Genau darum geht es. Überhaupt nichts. Sieh mal, Bree, wir sind in der Lage, dir eine Menge lukrativer Fälle zukommen zu lassen. Wenn ich mich recht erinnere, warst du ziemlich gut in Körperschaftssteuerrecht. Das könnte sich als Goldgrube für dich erweisen, wenn du …«, er tippte ihr gönnerhaft mit dem Zeigefinger aufs Handgelenk, » … mitspielst.«
Später kam Bree zu dem Schluss, dass dieses Tippen aufs Handgelenk das Fass zum Überlaufen gebracht hatte. Allzu deutlich konnte sie sich allerdings nicht mehr erinnern. Sie war wütend, das wusste sie noch. Sie sprang auf, irgendwie mit der Absicht, Payton bei den Ohren zu packen und seinen Kopf gegen den Tisch zu knallen. Das Nächste, was ihr bewusst wurde, war, dass sie mitten im Lokal stand und der benommen wirkende Payton drei Meter weit entfernt auf dem Boden lag.
Ein großer, kräftig gebauter Mann mit farblosen Augen hatte ihr die Hand auf die Schulter gelegt. Antonia saß mit bleichem Gesicht im hintersten Winkel der Essnische.
»Das hätten Sie wirklich nicht tun sollen«, sagte der Mann.
»Was denn?«, wollte Bree fragen, unterließ es aber. Die Glastür des Restaurants stand weit offen. Die meisten Gäste hatten sich unter den Tischen verkrochen. Der Fußboden war mit Geschirr, Gläsern, Pizzateilen, Salat und Servietten übersät. Es sah aus wie nach einem Hurrikan. »Was ist denn passiert?«, fragte Bree.
Zwei Polizisten kamen zur Tür herein; der Erste, ein mürrisch aussehender Typ mit Schmerbauch und fettigem blondem Haarschopf, brüllte: »Keiner rührt sich von der Stelle!«
»Hier entlang.« Der Mann mit den farblosen Augen – die, wie Bree bemerkte, gar nicht farblos, sondern silbern waren – legte ihr den Arm um die Schultern und schob sie in den Gang, der zur Küche führte.
»Moment mal.« Bree versuchte, sich seinem Arm zu entziehen und ins Restaurant zurückzukommen. Doch aus irgendeinem Grund ging sie weiter, den Gang entlang, zur Hintertür hinaus, in die Gasse, die zum Parkplatz führte. Es war nicht so, dass sie keinen Widerstand leisten konnte. Eher war es so, dass ihr Widerstand nichts nützte. Der Mann war äußerst kräftig, ohne grob zu sein, und roch angenehm nach freier Natur. Sobald sie in der Gasse waren, schloss er die Hintertür und ließ Bree los.
»Sie wohnen dort oben.« Das war keine Frage, sondern eine Feststellung. Er blickte zur Front Street hoch, die oberhalb der Geschäfte und Restaurants am Kai verlief. Dieser Teil des River Walk wurde von einer sechs Meter hohen Ziegelmauer begrenzt, die bis zu der Straße oben reichte.
»Ja, stimmt, aber ich sollte wirklich …«
»Gehen Sie nach Hause.«
»Ich kann meine Schwes …«
»Ich werde ihr sagen, dass Sie gegangen sind.«
»Wer sind Sie eigentlich?«, fragte Bree entrüstet. »Und wie kommen Sie dazu, mich so herumzuschubsen?«
»Schubse ich Sie herum?« Er trat zurück und sah sie amüsiert an. »Tut mir leid.« Das schwache Licht der Laternen ließ seine Augen noch silberner wirken. Und er machte überhaupt nicht den Eindruck, als täte ihm etwas leid. »Mein Name ist Striker. Gabe Striker.«
Zunächst sagte Bree der Name überhaupt nichts. Dann aber dämmerte es ihr. »Der Privatdetektiv«, sagte sie aufgebracht.
»Genau. Armand Cianquino dachte, ich könnte Ihnen bei dem Skinner-Fall behilflich sein. Ich war zufällig in der Nähe, als es zu dieser kleinen Auseinandersetzung mit Payton der Ratte kam.«
»Gibt es eigentlich jemanden in Savannah, der nicht weiß, dass Payton mir den Laufpass gegeben hat?«, presste Bree zwischen den Zähnen hervor.
Er wich zurück und hob die Hände, als bitte er um Vergebung. Im Halbdunkel konnte sie sein Gesicht kaum erkennen. »Hey, tut mir leid. Da bin ich wohl ins Fettnäpfchen getreten.«
»Kann man wohl sagen.«
»Ich bitte vielmals um Entschuldigung.« Seine Worte schwebten durch den Raum. Sie hatte das merkwürdige Gefühl, als sei er plötzlich körperlos, zu einem in der Luft hängenden Nebel geworden, den ein Windhauch verwehen konnte. »Gehen Sie nach Hause. Ich werde mein Möglichstes tun, damit das aufhört.«
Dann stand sie allein in der Gasse.
Und auf dem Baum des Lebens,
Der in der Mitte stand und alles überragte,
Saß wie ein Kormoran er … sann auf Tod.
John Milton, Das verlorene Paradies
Bree unterdrückte den Impuls, Gabriel Striker eine obszöne
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