Im Namen der Engel
»Meinst du, sie ist glücklich?«
»Ja, sehr«, erwiderte Bree. »Sie war völlig aus dem Häuschen, als sie erfuhr, dass sie den Job bekommt.«
»Es ist zumindest eine Erwerbstätigkeit, Francesca.« Royal schlug die Beine übereinander und trank einen weiteren Schluck Whiskey. Das Pfeiferauchen hatte er vor Jahren aufgegeben, doch auch ohne Pfeife machte er den Eindruck eines zufriedenen Mannes.
»Stimmt schon«, räumte ihre Mutter ein. »Und euch zwei können wir weiß Gott nicht miteinander vergleichen. Nicht dass wir die Absicht hätten«, fügte sie hastig hinzu. »Aber wenn Antonia doch bloß ein bisschen mehr … Verstand hätte. Ich glaube, das rührt alles von meiner Seite der Familie her.«
Bree sah ihren Hund an. Sascha erwiderte ihren Blick und schaute sie liebevoll an. Familie. Welche Familie? Wessen Familie? Das ging ihr seit jenem ebenso unheimlichen wie erstaunlichen Treffen bei Professor Cianquino im Kopf herum. Inzwischen hatten sich ihre Zweifel zu einer Frage verdichtet, die ihr ständig zusetzte.
Doch nur wenn sie fragte, konnte sie es auch herausfinden.
Sie achtete darauf, dass ihre Stimme fest und ungezwungen klang. »Was, glaubst du, habe ich denn von meiner Seite der Familie geerbt? Und wer war meine Familie eigentlich?«
Niemand rührte sich. Totenstille trat ein. Ihre Eltern vermieden es, einander anzusehen. Nach einer Weile fragte Royal: »Wovon um alles in der Welt redest du da?« Mit einem ungehaltenen Schulterzucken stand er auf und ging in Richtung Küche.
»Untersteh dich, einen weiteren Schritt zu machen, Royal Beaufort«, sagte ihre Mutter. »Komm her und setz dich wieder. Also!« Sie setzte sich so auf dem Sofa zurecht, dass sie Bree ansehen konnte. »Worum geht es? Hat dir hier in Savannah jemand etwas erzählt?«
Bree schnappte nach Luft. »Dass ich adoptiert worden bin?«
»Du bist nicht adoptiert worden«, gab ihre Mutter aufgebracht zurück. »Du bist unsere Tochter. Ich hasse das Wort adoptiert . Was bedeutet das überhaupt? Das hört sich ja an, als wärst du wie ein kleines Waisenkind irgendwo auf der Schwelle einer Kirchentür ausgesetzt worden. Und wenn du meinst, ich sei nicht deine Mutter und dein Daddy sei nicht dein Daddy, dann bist du im Irrtum.«
Bree, die die liebenswerte, wenn auch verwirrende Unlogik ihrer Mutter gewohnt war, entgegnete voller Geduld: »Natürlich seid ihr meine Eltern. Meine Frage ist aber: Seid ihr auch meine Erzeuger ?«
»Ich habe dich nicht so geboren wie Antonia, das stimmt«, sagte ihre Mutter. »Aber du warst ein Geschenk, so wie alle Babys ein Geschenk sind. Du bist bloß auf anderem Wege zu uns gekommen.«
Bree schwieg und wartete ab.
»Was deine Mutter zu sagen versucht …« Ihr Vater hielt inne und suchte in seiner Blazertasche nach der Pfeife, die er schon lange nicht mehr hatte. »Was deine Mutter zu sagen versucht, ist, dass du das Kind des Bruders meines Vaters bist.«
»Von Großonkel Franklin?« Irgendwie überraschte sie das gar nicht. »Aber der war doch überhaupt nicht verheiratet, oder? Ich meine, nicht dass ich erwartet hätte, ehelich zu sein …«
»Bree!«, rief ihre Mutter aus.
» … aber es kommt mir merkwürdig vor, dass er mich nicht selbst großziehen wollte.«
Diesmal sahen ihre Eltern einander an.
»Franklin hat geheiratet.« Francesca machte ein feierliches Gesicht. »Sehr spät im Leben. Eine wunderschöne Frau, liebe Bree, die noch sehr jung war. Er hat sie in einer Kirche kennengelernt. Ausgerechnet in einer Kirche. Aber sie starb sehr früh. Und bevor sie starb, nahm sie ihm das Versprechen ab, dich wegzugeben.«
»Mich wegzugeben«, wiederholte Bree automatisch.
»Ich weiß nicht, ob deswegen, weil er um so vieles älter war – als du geboren wurdest, war er immerhin schon siebzig –, obwohl er dann ja noch achtundneunzig Jahre alt geworden ist. Aber das ist dir ja bekannt. Allerdings … wenn er gewusst hätte, dass er so lange leben würde, hätte er dich uns sicher nicht überlassen, was für uns aber gar nicht schön gewesen wäre.« Ihre Mutter machte eine Pause, um Luft zu holen. »Doch sie hatte ihm dieses Versprechen abgenommen. Und dein Onkel Franklin hat sein Wort nie gebrochen.«
»Und natürlich war er mit dir zusammen, so oft er nur konnte«, sagte Royal.
»So war das also«, sagte ihre Mutter leichthin. »Fall abgeschlossen, Ende der Geschichte. Mehr gibt es nicht zu sagen, außer …«, sie beugte sich vor und schlang die Arme um Bree, » … dass
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