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Im Namen der Engel

Im Namen der Engel

Titel: Im Namen der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Stanton
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ausgesprochen wohlzufühlen. Bree gegenüber verhielt er sich äußerst leutselig und offen.
    »Ich werde Ihnen nicht viel von Ihrer Zeit stehlen«, sagte sie entschuldigend, »denn wie ich sehe, haben Sie jede Menge zu tun.«
    »Kein Problem. Ich verfüge über einige der besten Mannschaften, die es in meinem Metier gibt. Viel bleibt da für mich nicht zu tun, außer dass ich am Ende der Woche die Gehaltsschecks unterschreiben muss. Soll ich Sie ein bisschen herumführen?«
    »Gern, Mr. Montifiore.«
    Er lächelte und schüttelte den Kopf. »Ein ziemlicher Zungenbrecher, nicht? Warum sagen Sie nicht einfach Carlo?«
    Bree sah ihn fragend an. »Meine Frau ist ein wenig empfindlich«, teilte er ihr in amüsiertem Flüsterton mit, »was alles Italienische angeht. Meine Mama hat mir aber den Namen Carlo gegeben, und so heiße ich auch für meine Freunde.« Sein Blick verdüsterte sich einen Moment lang. »Nur Außenstehende nennen mich Carlton. Zum Beispiel diese gottverdammten Parasiten von den Medien.« Er fuhr sich mit der Hand durch sein dichtes dunkles Haar. »Na egal. Lassen Sie uns einen Blick in das Büro Ihres Onkels werfen.«
    Das Pyramid Office Building war aus Naturstein erbaut, der dringend einen neuen Verputz brauchte, nachdem er zweihundert Jahre lang Savannahs halbtropischer Witterung ausgesetzt gewesen war. Die riesigen Eichenbalken, die das Gerippe des Gebäudes bildeten, waren verrottet, teils infolge der Feuchtigkeit, teils auch wegen der Termiten, jener Geißel südstaatlicher Architektur. Carlo führte sie eine breite Marmortreppe hoch, die vom Parterre bis zur vierten und höchsten Etage des Gebäudes reichte.
    »Wir mussten die ganze Fassade abreißen, das Holzgerüst durch neue Balken ersetzen und die Steine Stück für Stück in die ursprüngliche Anordnung bringen.« Er machte auf dem Treppenabsatz der zweiten Etage halt und öffnete die Tür, die zum Gang führte. »Nach Ihnen.«
    Bree trat in den Gang. Der Terrazzofußboden war mit einem Sandstrahlgebläse gesäubert worden. Die Wandverkleidung aus Hickoryholz war abgezogen, abgeschmirgelt und mit glänzendem Lack versiegelt worden. Es roch angenehm nach frischem Holz und neuer Farbe. Carlo führte sie den Gang entlang, vorbei an massiven alten Büro türen, deren oberer Teil aus geriffeltem Glas bestand. Vor Nummer 7 machte er halt. »Hier ist es. Sieht schon ziemlich gut aus, aber fertig wird es erst in ein paar Monaten. Sie werden also noch ein Weilchen in Ihrem jetzigen Büro bleiben müssen.« Er trat zurück, damit sie die Tür selbst öffnen konnte. »Sie wissen sicher, dass es im Büro Ihres Onkels einen Brand gegeben hat? Und dass er in den Flammen umgekommen ist, bevor er gerettet werden konnte?«
    Bree hielt inne, die Hand auf dem schweren bronzenen Türknauf. »Ja«, erwiderte sie kurz angebunden.
    Nachdenklich zog Carlo die Augenbrauen zusammen. »War eine sehr merkwürdige Sache. Ein derart heftiges Feuer, dass er auf der Stelle umgekommen ist.«
    Bree schüttelte den Kopf. »Wir haben nie erfahren, wie es dazu kam.«
    Er zuckte die Achseln. »Die Feuerwehr konnte sich auch keinen Reim darauf machen. Niemand schien etwas zu wissen. Glücklicherweise blieb das Feuer aber auf diesen Raum begrenzt.«
    Nach kurzem Zögern trat Bree ein. Vielleicht bildete sie es sich nur ein, aber sie hatte den Eindruck, als hinge ein leichter Geruch nach Asche und verfaulten Eiern in der Luft. Eine Nachwirkung des Feuers? Das Zimmer war klein und hatte nur ein Fenster, das zur Liberty Street ging. Der Schreibtisch war natürlich nicht mehr da, ebenso wie die verglasten Bücherschränke, die an der hinteren Wand gestanden hatten. Bree verlor sich in Gedanken. Sie konnte sich noch gut an das Büro erinnern. Fast meinte sie die gebeugte Gestalt ihres Onkels in dem alten roten Ledersessel hinter dem schweren Eichenschreibtisch sitzen zu sehen.
    Während sie im Büro stand, verspürte sie plötzlich eine Aura von Verzweiflung, Verrat und überwältigender Angst. Im nächsten Augenblick merkte sie zu ihrem Entsetzen, wie das Deck ihres Albtraumschiffs unter ihren Füßen auf und ab schwankte. Über ihrem Kopf ertönte das Rauschen tödlicher Flügel. Die Schreie der Sterbenden hallten in ihrem Kopf wider. Sie hielt sich die Ohren zu und biss sich auf die Lippe, um nicht laut aufzuschreien.
    Hier hatte ein Kampf stattgefunden.
    Und Franklin hatte verloren.
    Carlo berührte ihren Arm. »Sind Sie okay, Bree?«
    Sie kniff sich in die Nase, um nicht in

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