Im Namen der Heiligen
zwischen dem ausgestreckten Arm, dem Brustkorb und der Hüfte, war es staubtrocken. Gestern vormittag hat es geregnet, etwa eine halbe Stunde lang. Als der Regen einsetzte, lag dein Vater auf dem Bauch. Da war er bereits tot. Wie sonst hätte das Gras an dieser Stelle trocken bleiben sollen? Sein Körper hat es während des Regens bedeckt.«
»Und dann«, sagte Sioned langsam, »wurde er, wie du ganz richtig erkannt hast, bei der linken Schulter gepackt und auf den Rücken gedreht.«
»Es sieht so aus.«
»Aber der Pfeil ist in seine Brust gedrungen. Wie konnte er da auf den Bauch fallen?«
»Das müssen wir noch herauskriegen. Wir müssen auch überlegen, warum er hinten blutete und nicht vorn. Jedenfalls lag er auf dem Bauch, während es regnete. Von halb zwölf bis einige Minuten nach zwölf - bis die Sonne wieder hervorkam. Sioned, darf ich mir seine Leiche - in aller Ehrerbietung - noch einmal ansehen?«
»Man kann einem Ermordeten keine größere Ehre erweisen, als nach seinem Mörder zu fahnden und Rache zu üben. Ja, untersuche ihn, Bruder Cadfael, ich werde dir helfen. Kein anderer dürfte das tun. Zumindest«, fügte sie mit einem bitteren Lächeln hinzu, »brauchen wir beide nicht zu fürchten, daß er plötzlich wieder bluten könnte, um uns anzuklagen.«
Cadfael hatte bereits nach dem Leintuch gegriffen, um es zu entfernen. Nun hielt er plötzlich inne, als hätten ihn Sioneds Worte auf einen neuen Gedanken gebracht. »Natürlich! Die Leute hier glauben an solche Zeichen!«
»Ihr etwa nicht?« fragte sie verwundert.
»Meine Klosterbrüder - nun, ich wage zu behaupten, daß die meisten dran glauben. Und ich? Mein Kind, ich habe so viele hingemetzelte Männer gesehen, die nach irgendwelchen Schlachten von jenen, die sie getötet hatten, beiseite geräumt wurden - und kein einziger fing von neuem zu bluten an. Doch was ich glaube oder nicht glaube, spielt hier keine Rolle - wohl aber, was der Mörder glaubt... Jetzt will ich mich an die Arbeit machen. Du brauchst mir nicht zu helfen, du hast schon genug ertragen.«
Trotzdem wandte sie sich nicht ab, als Cadfael das Leintuch von der Leiche zog. Offenbar hatte sie erwartet, daß er weitere Untersuchungen vornehmen würde, denn sie hatte ihren toten Vater nicht angezogen und ihm nur das Blut abgewaschen. Lang ausgestreckt lag Rhisiart da, eine kräftig gebaute Gestalt, bis zur Hüfte braun gebrannt, darunter war die Haut etwas heller. Die Wunde an der Brust hatte häßliche bläuliche ausgefranste Ränder, obwohl Sioned und ihre Helfer ihr Bestes getan hatten, um das zerrissene Fleisch zusammenzufügen.
»Ich muß ihn umdrehen und mir auch die andere Wunde ansehen«, sagte Cadfael.
Sioned zögerte nicht. Mit mehr mütterlicher als töchterlicher Zärtlichkeit schob sie einen Arm unter Rhisiarts Schultern, hob ihn hoch und half Cadfael, der die Hüften umfaßte, den Körper herumzudrehen, bis er auf der rechten Seite lag, das Gesicht in ihre Armbeuge geschmiegt. Der Mönch beugte sich über die Wunde an der linken Seite des Rückens. »Ihr hattet sicher Mühe, den Pfeil zu entfernen. Vermutlich habt ihr ihn aus der Brust gezogen.«
»Ja.« Sie erschauerte, denn dies war der qualvollste Teil ihrer Bemühungen gewesen. »Der Pfeil hat die Haut am Rücken kaum aufgerissen, also konnten wir ihn dort nicht herausziehen. Natürlich - es war schlimm, daß wir seinen Körper so entstellen mußten, aber was sollten wir tun? So eine kleine Wunde und so viel Blut...«
Die Stahlspitze hatte die Haut in der Tat kaum durchbohrt und nur einen winzigen Punkt von getrocknetem Blut hinterlassen, von bläulich verfärbter Haut umgeben. Doch da war noch eine andere Spur - dünn, aber deutlich erkennbar. Von dem dunklen Punkt zog sich eine braune Linie nach oben, etwa so lang, wie Cadfaels Daumen breit war. Aus diesem schmalen Schlitz war Rhisiarts Blut geflossen und hatte sein Leben mit sich genommen - nicht aus der Wunde in der Brust, obwohl diese viel augenfälliger war.
»Ich habe genug gesehen«, sagte Cadfael und half dem Mädchen, den Toten wieder auf den Rücken zu legen. Als sie sein Haar glattgestrichen hatten, deckten sie ihn sorgsam zu. Dann berichtete Cadfael Sioned von seiner Beobachtung, und sie runzelte die Stirn.
»Dieses Wundmal habe ich auch gesehen, aber ich wußte nicht, was es bedeutet. Kannst du es mir erklären?«
»Aus dieser Wunde ist sein Lebensblut geflossen - nicht aus dem winzigen Loch, das von der Pfeilspitze stammt, sondern aus einer
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