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Im Namen der Heiligen

Im Namen der Heiligen

Titel: Im Namen der Heiligen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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Ist das zuviel verlangt?«
    »Dein Wunsch ist recht und billig - der Wunsch einer getreuen Tochter«, erwiderte der Prior. Immerhin entstammte er einer vornehmen Familie, wußte die Bedeutung von Blutsbanden zu schätzen, und deshalb war es keineswegs Heuchelei, die ihn zu dieser Antwort bewog.
    »Ich hoffe auf ein Zeichen der Gnade«, sagte Sioned. »Und da du meine Bitte nicht abschlägst, hoffe ich um so zuversichtlicher.«
    Robert bezweifelte nicht, daß ihre Bitte ihm noch größeren Ruhm einbringen würde. Die Erbin seines Gegners und dessen einziges Kind kam zu ihm und legte das Seelenheil ihres Vaters in seine Hände. Er war nicht nur dankbar - er war entzückt. Höflich neigte er den Kopf - im Bewußtsein, daß nicht nur die acht Augenpaare der Träger auf ihm ruhten, sondern auch noch andere. Der Wald war voller Augen - wohin immer die Fremden auch gingen. Wie bedauerlich, daß sie Rhisiart nicht besser bewacht hatten, als er noch am Leben gewesen war...
    Sie stellten die grüne Bahre auf einen Tisch vor dem Altar, neben den Schrein, der Winifreds Gebeine enthielt. Der Altar war klein und schlicht, die Bahre überragte ihn beinahe. Durch ein kleines Seitenfenster fiel Licht herein, direkt auf das Gesicht des Toten. Prior Robert hatte in seiner Brusttasche Altartücher mitgebracht. Damit wurde der Tisch nun verhangen. Dann verließen die Träger ihren Herrn und entfernten sich wortlos.
    »Morgen früh«, sagte Sioned, bevor sie ihnen folgte, »werde ich wiederkommen und jenen danken, die heute nacht für meinen Vater beten. Und dies werde ich jeden Morgen tun, bevor wir ihn begraben.«
    Sie verneigte sich vor Prior Robert, dann ging sie aus der Kapelle, ohne Bruder Cadfael einen Blick zuzuwerfen, und zog den Schleier vors Gesicht.
    So weit, so gut. Roberts Eitelkeit - wenn schon nicht sein schlechtes Gewissen - hatte sie in ihrer Hoffnung bestärkt. Nun brauchte sie nur noch abzuwarten. Robert hatte bestimmt, in welcher Reihenfolge die Mönche die Vigilien abhalten sollten, und sich dabei mit Vater Huw beraten, der die erste Nacht in der Kapelle verbringen wollte, um der Heiligen sein Herz zu öffnen - falls sie zu erscheinen geruhen sollte. Sein Gefährte war Bruder Jerome, dessen kriecherisches Gehabe hin und wieder an den Nerven des Priors zerrte. Cadfael war dankbar für diese Einteilung, die durch reinen Zufall entstanden war und die ihm sehr zugute kam. Zumindest bis zu diesem ersten Morgen würde niemand wissen, worauf man sich gefaßt machen mußte. Die anderen würden zwar gewarnt sein, sich aber nicht vor ihren Pflichten drücken können.
    Als sie am nächsten Morgen zur Kapelle gingen, hatten sich schon mehrere Dorfbewohner eingefunden und standen am Waldrand oder im duftenden Schatten der Hagedornhecken. Erst als der Prior und seine Begleiter die Kapelle betraten, kamen die Leute schweigend näher und machten Platz für Sioned und Annest, die langsam zum Eingang schritten. Dann schlossen sie sich den beiden Mädchen an und verdeckten das Sonnenlicht, das durch die offene Tür fiel, so daß nur die Altarkerzen die Totenbahre beleuchteten.
    Vater Huw erhob sich schwerfällig von seinen Knien und stützte sich auf den Tisch, bis er seine alten müden Beine wieder bewegen konnte. Bruder Jerome sprang behende auf, und Cadfael dachte mißtrauisch an devote Vigilienteilnehmer, die sanft zu entschlummern pflegten, den Kopf auf die verschränkten Arme gestützt. Doch das war im Augenblick unwichtig. Er hatte ohnehin nicht erwartet, daß sich auf Jeromes Bitte hin der Himmel öffnen würde, um Rosen der Gnade herabregnen zu lassen.
    »Es war eine stille Vigilie«, berichtete Vater Huw. »Ich hatte keine Visionen - doch ein solcher Segen wird einfachen Landpfarrern wohl nur selten zuteil. Wir haben gebetet, Sioned, mein Kind, und wir wurden ganz bestimmt erhört.«
    »Ich bin euch sehr dankbar«, erwiderte sie. »Bevor ihr geht, würdet ihr mir und den meinen noch einen weiteren Gefallen tun? Auch ihr beide habt unter dem Zwist gelitten, den mein Vater heraufbeschworen hat. Wärt ihr bereit zu einer Geste der Vergebung - der Barmherzigkeit? Heute nacht habt ihr für ihn gebetet. Legt jetzt auch noch eure Hände auf sein Herz - zum Zeichen, daß ihr ihm verziehen habt.«
    Die Leute von Gwytherin, die vor der Tür standen, gaben keinen Laut von sich - ließen sich nichts entgehen, kein Wort, keine Bewegung.
    »Sehr gern!« Vater Huw wandte sich zu der Bahre um und legte seine schwielige Hand sanft auf das

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