Im Namen der Heiligen
habe ihn mit meinen eigenen Augen gesehen, also rede mir nicht ein, daß er woanders ist. Und ihr sitzt hier und trinkt, als wäre alles in schönster Ordnung!«
»Warum hat er es plötzlich so eilig?« fragte Bened. »Hat der Prior nach ihm geschickt - weil er morgen abreisen will?«
»Es war reiner Zufall. Er kam zur Abendmesse, um Vater Huw seine Reverenz zu erweisen, doch es war der Prior, der die Messe las, und der packte die Gelegenheit sofort beim Schöpfe und sagte ihm, Bruder John müßte noch heute abend festgenommen werden, denn er könnte Gwytherin nicht verlassen, solange sich der junge Bruder nicht in den Händen des Gesetzes befände. Er erklärte, der Amtmann solle ihn wegen Begünstigung eines Verbrechers verhaften und ihn, wenn er seine Strafe verbüßt hat, nach Shrewsbury schicken, wo er sich ebenfalls wegen eines Vergehens verantworten müßte. Sonst würde der Prior eine Eskorte schicken, um ihn holen zu lassen. Was blieb dem Amtmann anderes übrig, als sich zu fügen, da er so bedrängt wurde? Und ihr sitzt da... «
»Schon gut, Mädchen!« beschwichtigte Cai die erregte Annest. »Ich werde sofort die erforderlichen Maßnahmen ergreifen. Bruder John wird in Sicherheit gebracht, bevor ihm der Amtmann in die Nähe kommt. Ich nehme eins von deinen Ponys, Bened.«
»Sattle auch für mich eins!« verlangte Annest. »Ich komme mit.«
Cai lief zur Weide, und Annest, die nun ruhiger atmete, nachdem sie die Hiobsbotschaft überbracht hatte, trank den restlichen Wein und seufzte tief auf. »Wir müssen uns beeilen, denn dieser junge Bruder, der die Pferde versorgt, soll sie nach dem Essen bereithalten. Der Prior will dabei sein, wenn John festgenommen wird. Und er hat sich beschwert, weil du nicht da warst, Bruder Cadfael. Er hätte einen Dolmetscher gebraucht. Sie haben sich mühsam in Latein unterhalten. Oh, was für ein Tag war das!«
Und was wird das für eine Nacht werden, dachte Cadfael. »Was ist sonst noch geschehen, mein Kind? Hast du irgend etwas gehört, das mir einen Fingerzeig geben könnte. Der Himmel weiß, daß ich einen brauche.«
»Sie besprachen, wer in der Kapelle wachen soll. Der junge blonde Mönch, der die Visionen hatte, erbot sich, diese Aufgäbe zu übernehmen. Er meinte, er hätte einmal seine Pflicht vernachlässigt, und das wollte er wiedergutmachen. Der Prior war einverstanden. Dieser junge Bruder - wie heißt er doch?«
»Columbanus.«
»Ach ja - Columbanus! Er führt sich auf, als würde die heilige Winifred ganz allein ihm gehören. Ich will nicht, daß sie von hier weggeht - aber immerhin war es der Prior, der diese Idee hatte -, und jetzt hat sich dieser junge Bursche den Heiligenschein aufgesetzt!«
Sie wußte es nicht, aber sie hatte Cadfael tatsächlich einen Hinweis gegeben, und mit jedem Wort, das sie sagte, sah er klarer. »Columbanus wird also vor dem Altar Wache halten? Ganz allein?«
»Ja, nach allem, was ich gehört habe.«
Cai kam mit den Ponys zurück. Annest sprang auf, schürzte ihre Röcke und band ihren Gürtel um die gebauschten Falten an ihren Hüften. »Bruder Cadfael, du findest es doch nicht falsch, daß ich John liebe? Oder daß er mich liebt? Die anderen sind mir gleichgültig, aber ich wäre traurig, wenn du dächtest, daß wir etwas Böses tun.«
Für sich selbst hatte Cai keinen Sattel gebracht, aber für Annest stand ein gesatteltes Pony bereit. Bruder Cadfael formte mit seinen Händen einen Steigbügel, und sie schwang sich auf den Rücken des Tieres. Der frische Duft ihrer Leinenröcke, die glatte Haut ihres Fußknöchels, die sein Handgelenk streifte, gestalteten diesen Augenblick zu einem der angenehmsten an diesem langen, chaotischen Tag. »Und wenn ich noch fünfzig Jahre leben sollte, mein Kind«, erwiderte er, »ich bezweifle, daß ich jemals wieder zwei Menschenkindern begegnen werde, die ich für weniger böse halten müßte. Er hat einen Fehler gemacht, als er ins Kloster ging, aber jeder Mann sollte die Möglichkeit erhalten, noch einmal von vorn anzufangen. Diesmal glaube ich nicht, daß er einen Fehler begeht.«
Er sah sie den Hang hinaufreiten, in einem schnellen Trab, dem sich Cai gutmütig anpaßte. Die beiden hatten einen großen Vorsprung. Es würde noch etwa zehn Minuten dauern, bis Columbanus ankam, um die Pferde zu holen, und danach mußte er sie noch zur Pfarrei bringen. Cadfael sagte sich, daß es ratsam wäre, Prior Robert als Dolmetscher beizustehen, doch in diesem Fall mußte er sich beeilen, denn er
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