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Im Namen der Heiligen

Im Namen der Heiligen

Titel: Im Namen der Heiligen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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versuchte, seine Autorität zu demonstrieren und ihr klarzumachen, daß sie die Wahrheit und die Tat ihres Sohnes demütig hinnehmen müßte - so wie es Peredur mit seinem Geständnis getan hätte, schrie sie, sie wäre ihr Leben lang eine gottesfürchtige, gesetzestreue Frau gewesen. Sie hätte alles getan, um ihr Kind in diesem Sinne zu erziehen, und nun könnte sie nicht zulassen, daß seine Schuld auf sie zurückfiele.
    »Mutter!« flehte Peredur. Er war wachsbleich und schwitzte vermutlich noch stärker als in jenem Augenblick, wo er vor Rhisiarts Leiche gekniet hatte. »Niemand wird dir die Schuld an meiner Sünde geben. Was ich getan habe, habe ich getan, ich allein muß die Konsequenzen tragen, nicht du. Alle Frauen von Gwytherin werden mit dir fühlen.«
    Da stieß sie einen gellenden Schrei aus, schlang beide Arme um ihn und schwor, sie würde nicht dulden, daß man ihn allzu hart bestrafte. Er wäre ihr einziger Junge, und sie würde ihn beschützen. Und als er sich, fast am Ende seiner Geduld, aus der Umklammerung befreite, brüllte sie, daß er sie töten wollte, dieser gefühllose Bastard, und brach in ein schluchzendes, ohrenbetäubendes Gelächter aus.
    Bruder Cadfael packte Peredur energisch am Ärmel und zog ihn in eine Ecke. »Sei vernünftig, mein Junge, und geh ihr aus den Augen. Du gießt nur Öl ins Feuer. Wenn man sie nicht beachtet hätte, wäre sie schon lange verstummt, aber nachdem sie sich in diesen Zustand hineingesteigert hat, ist sie nicht mehr fähig, sich aus eigener Kraft davon zu befreien. Waren unsere beiden Brüder hier, oder sind sie mit dem Prior gegangen?«
    Peredur zitterte am ganzen Körper und war völlig erschöpft, doch Cadfaels beiläufiger Tonfall schien ihm neue Hoffnung zu geben. »Sie waren nicht hier, sonst hätte ich sie gesehen. Sie müssen zur Kirche weitergegangen sein.«
    Natürlich, weder Columbanus noch Jerome würden es sich nehmen lassen, an einem so bedeutenden Tag der Abendandacht beizuwohnen.
    »Das macht nichts. Zeig mir, wo sie wohnen. Columbanus hat ein Fläschchen mit meinem Mohnsirup mitgebracht. Es müßte sich bei seinem Gepäck befinden, denn er wird den Sirup kaum benötigt haben. Soviel ich weiß, hatte er keine Veranlassung dazu, denn hier in Wales hatte er sanftere Anfälle als sonst. Wir wollen das Fläschchen holen.«
    »Was bewirkt dieser Sirup?« fragte Peredur mit großen Augen.
    »Er schwächt Leidenschaften und vertreibt Schmerzen - körperliche und seelische.«
    »Dann könnte ich ihn auch gebrauchen«, sagte Peredur mit einem wehmütigen Lächeln und führte Cadfael in eine der kleinen Hütten, die den Palisadenzaun säumten.
    Man hatte den Gästen aus Shrewsbury beste Quartiere zur Verfügung gestellt, die das Anwesen zu bieten hatte. Die Kammer war mit hübschen Möbeln und Binsenlampen eingerichtet. Jeromes und Columbanus' Habseligkeiten hingen, mit Lederriemen zusammengeschnürt, an der Holzwand. Bruder Cadfael untersuchte erst das eine Bündel, dann das andere. Im zweiten fand er, was er suchte.
    Er hielt die kleine Phiole aus grünlichem Glas gegen das Licht, und ihr geringes Gewicht bewog ihn, noch bevor er die Menge der Flüssigkeit gesehen hatte, sich sehr zu wundern. Das Fläschchen enthielt nur mehr ein Viertel des ursprünglichen Inhalts.
    Sekundenlang stand Cadfael stocksteif da und starrte stumm vor sich hin, die Phiole in der Hand. Columbanus mochte hin und wieder das Bedürfnis empfunden haben, einer drohenden geistigen Verwirrung vorzubeugen, aber Cadfael konnte sich nicht erinnern, daß der Bursche irgend etwas darüber gesagt oder jene gelassene Ruhe ausgestrahlt hätte, die der Mohnsaft hervorzurufen pflegte. Aus der Flasche war eine ausreichende Menge verschwunden, um einen Mann für viele Stunden in tiefen Schlaf zu versetzen! Und nun fiel ihm ein, daß der junge Bruder zumindest einmal tagsüber geschlafen hatte, statt zu beten. An Rhisiarts Todestag hatte Columbanus seine Pflicht versäumt und dies voll herzbewegender Reue gestanden. Columbanus, der den Sirup kannte und um dessen Wirkung wußte...
    »Was sollen wir jetzt tun?« fragte Peredur, den Cadfaels Schweigen mit Unbehagen erfüllte. »Wenn diese Arznei nicht gut schmeckt, wird es uns wohl kaum gelingen, sie meiner Mutter einzuflößen.«
    »Sie schmeckt sehr süß.« Aber es war nicht mehr viel davon übrig, deshalb würde eine zusätzliche Stärkung erforderlich sein. »Wir mischen sie mit starkem Wein, dann wird Frau Branwen sie sicher

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