Im Namen der Heiligen
trinken.«
Cadfael erinnerte sich, daß die beiden Mönche eine Flasche Wein mitgenommen hatten, als sie an jenem Tag zur Kapelle gegangen waren. Bruder Columbanus hatte sie getragen - und eine Flasche Wasser für sich selbst, da er auf Alkohol verzichten wollte, bis der Zweck der Pilgerfahrt erfüllt war. Jerome hatte also eine doppelte Ration bekommen. Doch dann verdrängte Cadfael diese Gedanken, um sich mit dem nächstliegenden Problem zu befassen.
Peredur meinte, seine Mutter würde lieber Met statt Wein trinken, und eilte davon, um einige Minuten später mit einem gefüllten Becher zurückzukehren. »Der Met ist noch viel stärker als Wein«, erklärte er.
»Sehr gut!« sagte Cadfael. »Dann wird er den Geschmack der Medizin besser verdecken. Und jetzt zieh dich in eine stille Ecke zurück und komm mir vorerst nicht mehr unter die Augen, dies ist das Beste, was du für sie tun kannst, und weiß Gott auch das Beste für dich selbst nach einem solchen Tag. Gräme dich nicht allzusehr wegen deiner Sünden, so schlimm sie auch sein mögen. Es gibt keinen Beichtvater in diesem Land, der nicht schon ärgere Dinge gehört hätte, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Es liegt eine gewisse Arroganz darin, sich einzubilden, man hätte so schwer gesündigt, daß es keine angemessene Strafe dafür gäbe.«
Das süße klebrige Getränk wirbelte im Becher umher, und der Sirup bildete eine lange Spirale darin, die langsam schmolz und sich schließlich völlig auflöste. Mit düsteren Augen starrte Peredur auf die Flüssigkeit, dann sagte er leise: »Seltsam - an einem Menschen, den ich hasse, hätte ich niemals so schäbig handeln können.«
Cadfael rührte in dem Becher. »Das ist gar nicht seltsam. Wenn wir unglücklich sind, gehen wir so weit, wie wir es wagen, und wenn wir uns eines Menschen sicher sind, wagen wir sehr weit zu gehen. Denn wir rechnen damit, daß er uns verzeihen wird.«
Peredur biß sich auf die Lippen. »Können wir wirklich damit rechnen?«
»Ebenso wie mit dem Sonnenaufgang morgen früh, mein Sohn. Und jetzt verschwinde und hör auf, dumme Fragen zu stellen. Vater Huw hat heute keine Zeit für dich, weil er sich mit wichtigeren Angelegenheiten befassen muß.«
Wie ein folgsames Kind ging Peredur davon - verwirrt, aber auch getröstet. Und wo immer er sich auch verbarg, er hatte ein gutes Versteck gewählt, denn Cadfael sah ihn nicht mehr an diesem Abend. Im Grunde war er ein guter Junge, und seine heftige Anwandlung von Neid und Niedertracht hatte ihm einen seiner Wesenszüge vor Augen geführt, der ihm ganz und gar nicht gefiel. Welche Gebete Vater Huw ihm auch immer als Buße auferlegen mochte, sie würden mit unwiderstehlicher Inbrunst den Himmel erreichen. Und welche Arbeit er auch immer zur Strafe erledigen würde - das Ergebnis würde unerschütterlich und dauerhaft wie eine Eiche sein.
Cadfael eilte mit dem Becher zu Frau Branwen, die noch immer von unkontrollierbarem Schluchzen geschüttelt wurde - diesmal in echter Verzweiflung, erschöpft vom Anfall, aber unfähig, ihn zu beenden. Er nutzte ihre Müdigkeit aus, reichte ihr den Becher mit einer autoritären Geste, die den gewünschten Effekt erzielte, bevor sie sich auf ihren Widerspruchsgeist besinnen konnte.
»Trink das!« Und sie trank ganz automatisch die erste Hälfte der Flüssigkeit, weil sie überrumpelt worden war, die zweite, weil sie spürte, wie trocken und wund sich ihre Kehle nach dem wütenden Geschrei anfühlte und wie süß dieses Gebräu schmeckte. Die Schluckbewegungen unterbrachen den beängstigenden Rhythmus ihres Keuchens, das ihr noch ärger zugesetzt hatte als das Schluchzen. Vater Huw wischte sich mit seinem Ärmel den Schweiß von der Stirn. Frau Branwen begann erneut zu klagen, doch ihre Proteste klangen halbherzig, verglichen mit dem vorangegangenen wilden Gebrüll.
»Wir Frauen, wir Mütter opfern unser Leben, um Kinder großzuziehen, und wenn sie erwachsen sind, danken sie uns, indem sie Schande über uns bringen. Was habe ich verbrochen, um das zu verdienen?«
»Er wird dir sicher noch Ehre machen«, entgegnete Cadfael lächelnd. »Steh ihm bei, wenn er Buße tut, aber versuche niemals, seine Sünde zu entschuldigen, und er wird es dir lohnen.«
Sie ignorierte diesen Rat, obwohl sie sich später vielleicht daran erinnern würde. Ihre Stimme wurde immer schwächer, während sie ihr gekränktes Selbstbewußtsein verteidigte, verebbte in einem träumerischen Trauermonolog und nahm einen Ausdruck
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