Im Namen des Kreuzes
drangekommen.«
»Sicher?«
»Ja … ich glaube schon.«
Schwarz sah sich die letzten Spuren, die noch nicht mit Farbe abgedeckt waren, aus der Nähe an.
»Was geht Sie das eigentlich alles an?«, knurrte der älteste der drei Bestatter.
»Wir ermitteln wegen des Selbstmords von Pfarrer Heimeran«, sagte Eva.
Die Männer schauten sie ungläubig an.
»Der Pfarrer hat sich … umgebracht? Das kann nicht sein.«
15.
Schwarz und Eva kehrten noch einmal zur Brücke zurück.
»Er könnte natürlich auch nur behauptet haben, dass ihn jemand zum Friedhof gerufen hat«, sagte Eva.
Schwarz reagierte nicht.
»Anton?«
Sie sah, dass er sich hinkniete, um die Bohle zu untersuchen, über die das Seil gezogen worden war. Er fuhr mit dem Zeigefinger über das Holz, tastete mit geschlossenen Augen.
Eva wartete, bis er wieder aufstand.
»Es gibt noch eine Möglichkeit: Es war gar kein Selbstmord.«
Sie sah ihn mit großen Augen an.
»Der Anruf könnte eine Falle gewesen sein. Und hier, das Seil hat sich mehrere Millimeter tief ins Holz eingeschnitten. Aber auf beiden Seiten der Bohle gleich tief.«
»Was heißt das?«
»Dass er vielleicht schon tot war und seine Leiche von oben runtergelassen wurde.«
Eva war fasziniert von der Hypothese. Während Schwarz auf der Fahrt nach Obermenzing stumm blieb, sprudelte es nur so aus ihr heraus. Es mussten zwei Männer gewesen sein, die im Leichenschauhaus auf Pfarrer Heimeran gewartet hatten. Er war ein sportlicher Typ gewesen, außerdem hätte ein Mann allein die Leiche nie unter die Brücke hängen können. Die Flecken an der Wand der Leichenhalle deuteten auf einen Kampf hin. Heimeran hatte sich gewehrt und um sich getreten. »Man muss seine Schuhe untersuchen und mit dem Abrieb vergleichen. Und an dem Seil, an dem er hing, müssten DNA-Spuren sein. Kannst du der Polizei sagen, dass sie bei der Obduktion auch nach Resten eines Narkosemittels suchen sollen? Vielleicht ist er ja betäubt worden.«
Schwarz parkte vor Evas Haus in der August-Exter-Straße.
Sie sah ihn irritiert an. »Was ist denn jetzt los?«
»Feierabend.«
»Wie bitte?«
»So ein Fall wird nicht in vierundzwanzig Stunden gelöst, Eva.«
»Aber …«
Er reichte ihr den Laptop. »Ich hatte so eine Ahnung, dass du unbedingt noch arbeiten willst.«
»Und du?«
»Ich muss in die Karibik .«
»Die Karibik?«
»Erinnerst du dich nicht mehr, wie ich meine Brötchen verdiene? Ich beschütze das Konsulat dieses karibischen Zwergstaats.«
Eva schob die Unterlippe nach vorne. Sie sah aus wie ein kleines Mädchen, dem man sein Spielzeug weggenommen hat. »Sagst du mir wenigstens noch, was du von meinen Überlegungen hältst?«
»Du könntest recht haben.«
»Aber?«
»Genauso gut aber auch nicht. Es wäre ein Fehler, sich jetzt schon festzulegen.«
»Kannst du denn rauskriegen, in welche Richtung die Polizei ermittelt?«
»Das werde ich versuchen.«
Eva nickte schon wieder etwas zufriedener. »Hilfst du mir noch aus dem Wagen?«
Schwarz stieg aus und stellte den Rollstuhl neben die Beifahrertür. Eva schob sich von ihrem Sitz hinüber. Er war jedes Mal wieder fasziniert, welche Kraft sie in den Armen hatte. Sie nahm den Laptop auf den Schoß und lächelte ein wenig traurig.
»Ciao, Anton.«
Er streichelte ihr über die Wange. »Ciao.«
Sie schlang den Arm um ihn und küsste ihn auf den Mund.
16.
Zur Karibik fuhr Schwarz grundsätzlich nicht mit dem Auto, sondern mit dem Fahrrad. Es war ein Ritual mit einer kathartischen oder, wie er es nannte, abführenden Wirkung. Schwarz ärgerte sich jedes Mal von Neuem über die Bauwut, die an der Landsberger Straße ausgebrochen war. Er widersprach niemandem, der die Landsberger zu den Top Five der hässlichsten Straßen Münchens zählte, trotzdem war ihm die Umgestaltung der Straße zutiefst zuwider.
Da werden Millionen und Abermillionen verbaut, dachte er, und am Ende will hier kein Mensch mehr leben oder arbeiten. Die Landsberger wird eine Geisterstraße werden.
In seinem inzwischen schon ziemlich langen Leben als Ermittler hatte Schwarz es gelernt, sich Ruhezeiten zu schaffen, in denen der aktuelle Fall keine Rolle spielte. Während der 2,9 Kilometer von seiner Wohnung zum Konsulat verschwendete er keinen Gedanken an den Priester aus Untermenzing und dessen rätselhaften Tod. Er wusste, dass die Ermittlungsarbeit in einer tieferen Schicht seines Bewusstseins sowieso unaufhörlich weiterging. Da wurden rastlos Indizien von allen Seiten
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