Im Namen des Kreuzes
signalisierte Schwarz mit einem Blick, dass er auf Frau Sass Rücksicht nehmen wollte. »Wie wär’s gleich heute Abend um sechs?«
Schwarz fühlte sich ein wenig überrumpelt, war aber neugierig genug, sofort zuzusagen. Er warf einen Blick auf die Visitenkarte.
Hans Perfall, Erzbischöfliches Ordinariat, Frauenplatz.
»Soll ich zu Ihnen kommen?«
»Wenn Ihnen das recht ist, Herr Schwarz. Wir könnten uns an der Nordseite der Frauenkirche treffen.«
»Einverstanden.«
»Ich freue mich«, sagte Perfall und zog sich zurück.
Schwarz wandte sich wieder an Frau Sass und fragte sie nach dem Pastoralreferent Weber.
»Ich weiß nicht viel über ihn, weil er erst nach Matthias’ Ministrantenzeit nach Steinsberg mitgefahren ist. Sie haben sich da sozusagen abgelöst. Aber er soll beliebt sein – vor allem bei der Jugend.«
Schwarz bedankte sich und versprach Frau Sass, sie demnächst über den Stand der Ermittlungen zu informieren. Dabei fiel ihm auf, dass er sich bisher fast ausschließlich mit der Frage beschäftigt hatte, ob Pfarrer Heimerans Suizid echt oder von dessen Mördern vorgetäuscht worden war. Das war eigentlich nicht sein Auftrag, er sollte die Wahrheit über die Beziehung zwischen Matthias und dem Priester herausfinden. Aber vielleicht gab es da ja einen Zusammenhang. Vielleicht machte er sich auch etwas vor. Irgendeine Begründung musste er ja dafür finden, dass Heimerans Tod ihn weit mehr beschäftigte als dessen Sexualleben.
22.
Im Alten Wirt in Obermenzing war gerade eine Kaffeefahrt unüberhörbar schwäbischer Senioren eingetroffen. Küche und Servicepersonal waren dermaßen überfordert, dass Schwarz darauf verzichtete, dort mit Eva nach einem Platz zu suchen. Zum Glück kannte er aus seiner Zeit bei der Polizei den tätowierten Mann am Ausschank. Schnell waren Brezen, ein Stück Emmentaler, Essiggurken und zwei Flaschen Wasser organisiert.
Für das improvisierte Picknick wählte Schwarz das Kriegerdenkmal mit dem imposanten bayerischen Löwen schräg gegenüber des Biergartens. Das war zwar sicher nicht gern gesehen, aber nur hier spendeten hohe Bäume Schatten. Er breitete auf der untersten Stufe seine Regenjacke als Tischdecke aus, packte die Beute aus der Wirtschaft aus und musste schmunzeln, mit welchem Appetit Eva sofort zu essen begann.
»Der Betreuer ohne Höhenangst, der in Steinsberg dabei war, heißt Weber und ist von Beruf …« Die genaue Bezeichnung war Schwarz leider entfallen.
»Pastoralreferent«, sagte Eva mit vollem Mund. »Er arbeitet in der Nachbarpfarrei von St. Meinrad, ist Mitte dreißig und sieht nicht schlecht aus.«
»Woher weißt du das?«
Sie schluckte hinunter und zog ein Fotoalbum aus der Seitentasche ihres Rollstuhls. Nach kurzem Blättern hatte sie die Aufnahme gefunden. »Voilà.«
Das Bild war vor dem Portal einer Barockkirche aufgenommen und zeigte etwa ein Dutzend Jungen, die von Pfarrer Heimeran und einem jugendlich wirkenden Mann flankiert wurden. Die Stimmung war ausgelassen. Einige schnitten Grimassen, andere lachten herzlich.
Steinsberg 2006. Unsere Ministranten und Rainer Weber war die Bildunterschrift.
»Woher hast du das Album? Ich dachte, das hat Heimerans Schwester mitgenommen?«
»Hat sie auch. Aber ich habe noch Zeit gehabt und sie in Milbertshofen besucht. Eine echt unangenehme Person. Als sie gemerkt hat, wie sehr ich an dem Album interessiert bin, hat sie fünfzig Euro für die Ausleihe verlangt.«
»Sie hat sich auch seinen Computer unter den Nagel gerissen.«
Eva nickte. »Den hat sie leider bereits verkauft.«
»Hat Sie irgendwas Interessantes erzählt?«
»Leider nicht. Die beiden hatten kaum Kontakt. Ihr Verhältnis muss sehr schlecht gewesen sein, was mich bei dieser Frau aber auch nicht wundert.«
Es war heiß, und in einem anderen Land hätten die beiden jetzt Siesta gemacht. Stattdessen erkundigte Eva sich bei Schwarz nach dem, was er bei seiner griechischen Freundin aus der Gerichtsmedizin herausgefunden habe.
»Sie ist nicht meine Freundin.«
»Das war nicht meine Frage.«
»Der zuständige Mediziner hat sich für die Selbstmordversion entschieden.«
»Mit welcher Begründung?«
»Dass sie am wahrscheinlichsten ist. – Und für alle Beteiligten am bequemsten«, fügte er hinzu.
»Was passiert, wenn du ihm mitteilst, dass der Priester an einem Seil hing, das ihm nicht gehörte?«
»Dann würde er mich zu Recht zur Polizei schicken.«
»Wirst du es dem zuständigen Kommissar sagen?«
Schwarz
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