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Im Namen des Kreuzes

Im Namen des Kreuzes

Titel: Im Namen des Kreuzes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Probst
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nicht ins Sirs bestellt hatte, um Auskunft über die sexuellen Nöte von Seminaristen und Pfarrern zu geben. Und auch er selbst war noch weit von seinem eigentlichen Thema entfernt. Sein Ermittlungsauftrag war klar: Er sollte herausfinden, ob der Selbstmord von Matthias Sass eine Reaktion auf sexuelle Übergriffe Pfarrer Heimerans gewesen war. Bei ihrer ersten Begegnung hatte Weber das vehement bestritten.
    Nun wusste er also, dass der Pastoralreferent den Priester geliebt hatte. Es war nur zu verständlich, dass er ihn zu verteidigen versuchte.
    Aber wenn er Geduld hatte, unterlief Weber vielleicht irgendwann ein unbewusster Hinweis, der ihm zeigte, ob er auf der richtigen Spur war. Er beugte sich nach vorne und blickte seinem Gesprächspartner in die Augen. »Wie haben Sie es geschafft, Ihre Beziehung so lange geheim zu halten?«
    Weber lächelte unendlich traurig. »Wir waren wie zwei Spione im Kalten Krieg. Jeder hatte zwei Identitäten, eine öffentliche und eine private. Vor unseren beiden Gemeinden haben wir uns nicht besonders gut verstanden. Es gab ständig Reibereien, weil Wolfgang meine Ansichten zu liberal waren. Er hat mich öffentlich zurechtgewiesen und insgeheim gejubelt, dass ich das sagte, was er in Wirklichkeit auch dachte.«
    »Zum Beispiel?«
    »Ich habe mich gegen den Zölibat, für weibliche Priester und mehr Mitbestimmung in der Kirche ausgesprochen.«
    »Das klingt fast nach Glasnost.«
    »Die katholische Kirche ist ja auch die letzte Diktatur in Europa. Die Funktionäre im Vatikan unterscheiden sich nicht sehr von der alten Nomenklatur im Kreml oder dem Politbüro der DDR – sie klammern sich genauso verbissen an die Macht.«
    Die Getränke wurden serviert. Schwarz sog am Strohhalm und stellte wieder fest, dass er sich an Caipirovka unter Umständen gewöhnen könnte.
    »Sie klingen verbittert, Herr Weber.«
    »Ist das ein Wunder? Was glauben Sie, wie unwürdig das alles für uns war: die kurzen Nächte in billigen Pensionen, weil jeder am nächsten Morgen wieder im eigenen Bett liegen musste. Die geflüsterten Telefonate, die schnell hingehauchten Küsse und flüchtigen Umarmungen irgendwo im Aufzug oder auf einer Toilette. Und immer diese Angst, entdeckt zu werden.«
    Schwarz begriff die Dramatik nicht ganz. »Was wäre denn passiert, wenn man sie erwischt hätte?«
    Weber lachte höhnisch. »Wolfgang hätte eine Vorladung vom Personalreferenten bekommen. Der hätte ihm erklärt, dass er die Beziehung mit mir sofort zu beenden und über alles Vorgefallene strengste Geheimhaltung zu wahren habe. Außerdem hätte er seine Sünden beichten und aufrichtig bereuen müssen.«
    »Aber danach hätten Sie doch weitermachen können wie zuvor?«
    »Nicht wirklich. Zwar stimmt es, dass es für die Kirche am wichtigsten ist, dass Verstöße gegen ihre Sexualmoral nicht an die Öffentlichkeit gelangen. Aber Wolfgang und ich wären unter Beobachtung gestanden und vor allem erpressbar gewesen.«
    »Wie denn?«
    »Ich bitte Sie: Eine kritische öffentliche Äußerung von mir hätte doch gereicht, und die hätten mich und vielleicht auch Wolfgang rausgeworfen.«
    »Es gibt ein Leben außerhalb der Kirche.«
    »Ja, klar, der Arbeitsmarkt ist ganz wild auf vierzigjährige Theologen.« Er lachte bitter. »Sie können sich das nicht vorstellen, Herr Schwarz, aber Wolfgang und ich waren echte Idealisten. Wir haben nur von einer anderen Kirche geträumt und gehofft, dass sich das autoritäre, römisch-katholische System endlich in eine neue Gemeinschaft im Geiste des heiligen Franziskus verwandelt. Und es gab ja auch Anzeichen, die Mut machten.«
    »Moment«, hakte Schwarz ein, »im Geiste des heiligen Franziskus …?« Aber da kam der Kellner gelaufen. »Entschuldigung, habt ihr korrekt geparkt? Die schleppen nämlich wieder ab.«

28.
     
    Der Abschleppwagen brachte sich gerade in Position, als Schwarz keuchend eintraf. »Halt, stopp! Ich fahre weg«, rief er, aber der Fahrer reagierte nicht und näherte seinen Kran dem dunkelblauen Golf.
    Schwarz klopfte an die Scheibe. »Hallo, haben Sie mich verstanden?«
    Der Fahrer fuhr die Scheibe herunter. »Zu spät.«
    »Was heißt zu spät? Ich bin doch da.«
    »Können Sie lesen, was da steht?« Er gähnte mit weit offenem Mund. »Wenn Sie vor der Einfahrt parken, wird abgeschleppt. Und genau das passiert jetzt.«
    »Das ist doch nur ein Hauseingang, ich habe niemanden behindert.«
    »Gehen Sie besser zur Seite«, sagte der Mann und fuhr die Scheibe wieder

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