Im Namen Des Schweins
seinerseits versuchte, mit meinem Assistenten zu flirten.
Er bot sich schlicht und einfach an … Aber was den Rito selbst angeht, würde ich sagen, dass er offen, sympathisch und überaus eitel wirkt … Es dürfte nicht schwer sein, sich mit ihm anzufreunden. Schon gar nicht, wenn man sein Typ ist, und ich könnte schwören, dass T sein Typ ist. Über ihn könnten sich verschiedene Türen öffnen. Er ist sehr gut vernetzt. Außer seinen Schichten im Schlachthof arbeitet er stundenweise in der Genossenschaft. Vielleicht könnte man den Ausblick wagen, dass er das Salz in der Suppe sein dürfte. Ein überaus interessanter Mann.«
In der Hölle
Vor dem offenen Tor steht eine Schiefertafel auf einem Ständer. Dort ist die Tageskarte angeschrieben: Mackaroni, Ofenkartoffeln, Kichererbsenmus, Schweinshaxen, Schweinsbäckchen, Hühnchen in Pilzragout. P geht durch das Tor hindurch. An die Steinwand ist ein Pfeil gemalt, dem er dann die Treppen hinauf folgt. Bereits vom Treppenabsatz aus ist drinnen der Fernseher zu hören. Auf der Glastür am Eingang springt ihm ein Schild in die Augen, auf dem in goldverblichenen Lettern »CG« steht. Consorcio Ganadero steht darunter, Genossenschaft der Viehzüchter. Man schaut auf eine lange Theke, während rechts und links Tische stehen.
Drei Tische sind belegt. Zwei ältere Herren sitzen allein da. Am anderen Tisch hocken zwei Männer unterschiedlichen Alters zusammen. Alle verfolgen die Nachrichten im Fernsehen. Der Apparat hängt von der Decke. Die Leute schauen kaum auf, um zu sehen, wer kommt.
P geht an die verwaiste Theke und wartet. Bald darauf kommt aus der angrenzenden Küche ein etwa zwanzig Jahre altes Mädchen heraus, das auf ihren Unterarmen mehrere Teller jongliert, um sie im Gleichgewicht zu halten. Roter Pullover, unverkennbar schwanger, gerötete Wangen, violette Augen, Bubikopf mit schwarzen Haaren. Rotkäppchen im sechsten Monat. Sie schaut P mit kaum verhehlter Überraschung an und sagt »Hallo«. Sobald sie die Teller serviert hat, bleibt sie vor ihm stehen, hält sich den Bauch und fragt: »Was kann ich für Sie tun?« P fragt, ob er etwas zu essen bestellen kann. Das Mädchen wiederum fragt zurück, ob ihm etwas von dem Menü recht sei. P sagt ja: die Ofenkartoffeln mit dem Hühnchen. Sie macht eine Handbewegung, die ihm bedeutet, dass er sich setzen möge. Eher zufällig zeigt sie dabei auf die Tische rechts. P kommt dicht an dem Tisch vorbei, der von den beiden Männern belegt wird, die beide gebannt auf den Fernseher schauen. Der Ältere ist über sechzig, robust und ein Sanguiniker. Der Löffel sieht neben seinen muskulösen, behaarten Unterarmen aus als wäre er ein Miniaturschäufelchen. Der Goliath und die Suppe. Der Jüngere ist zwischen zwanzig und dreißig und hat die jungenhaften Gesichtszüge eines Leonardo Di Caprio: zierlich, zerbrechlich und nervös. Das tapfere Schneiderlein. Der Erste könnte der Metzger sein. Er hat die Statur eines Ringers, aber der andere passt nicht richtig auf die Beschreibung von Rito. Er hat überhaupt nichts Tuntiges an sich. Womöglich der Pfarrer. P wünscht ihnen »Guten Appetit«. Von dem über Sechzigjährigen ist mit vollem Mund ein rauer Ton zu hören, während der Jüngere P von Kopf bis Fuß mustert.
Er lässt den Blick auf ihm ruhen, bis P es sich an einem Tisch in der Nähe gemütlich gemacht hat. Dann flüstert er dem Goliath sofort etwas ins Ohr und legt dabei eine Hand auf dessen hemdsärmeligen Unterarm. Goliath grunzt verächtlich, schüttelt die Hand ab und streicht sich mit seiner geröteten Metzgerhand über das von der Suppe glänzende Kinn.
Auf dem Fernseher sind flackernde Bilder von Schweinen zu sehen, die beim Füttern in einer Reihe stehen beziehungsweise übereinanderfallen. Originaltöne von einem Viehzüchter, der von einer Art Schweinepest besonders stark geschädigt wurde und der im Untertitel als »Betroffener« kenntlich gemacht ist. Die nächsten Bilder zeigen noch mehr Schweine. Bergeweise steife Schweine, die im Hintergrund von einem Bagger mit den Beinen in der Luft in eine gekalkte Grube geschaufelt werden. Das tapfere Schneiderlein mustert P verstohlen. P tut so, als würde er sich ganz und gar auf die undeutlichen Bilder im Fernsehen konzentrieren. Jetzt kommt Sport. Ausschnitte aus den Interviews. »So ist Fußball. Was zählt sind letztlich die drei Punkte, die wir geholt haben …«
Sowie die ersten Teller an Ps Tisch gebracht werden, kommen neue Gäste ins Lokal herein.
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